Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Türkischer Cyber-angriff
Gehackte Twitterkonten verbreiten Nachrichten von Erdogananhängern – Streit um Wahlkampftermine türkischer Politiker in Deutschland
BERLIN. Hacker haben im Konflikt um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in großem Stil Twitter-konten weltweit mit Nazi-vorwürfen gegen Deutschland und die Niederlande geflutet. Auch auf Dutzenden bestätigten Accounts mit Millionen an Followern fanden sich am Mittwoch Nachrichten mit den Hashtags #Nazialmanya und #Nazihollanda, einem Hakenkreuz-symbol und dem Satz „Wir sehen uns am 16. April“. Dann steht in der Türkei das Referendum über das vom Präsidenten Recep Tayyip Erdogan angestrebte Präsidialsystem an.
Das Einfallstor für die Hacker bot die zusätzliche App „The Counter“, mit der die Twitterkonten verknüpft waren. „The Counter“ist eine Analyse-anwendung, die zum Beispiel Retweets und Follower zählt – aber eben auch für die Profil-besitzer Nachrichten bei Twitter platzieren konnte. Nur dadurch konnten sich die Hacker Zugang zu so vielen Accounts auf einmal verschaffen.
Betroffen waren unter anderem die Twitter-auftritte von Borussia Dortmund, der Tennislegende Boris Becker, des Tventertainers Klaas Heufer-umlauf und des Senders Prosieben. Borussia Dortmund erklärte, der Tweet sei umgehend gelöscht worden. „Ich habe das nie gepostet, weil ich nicht Türkisch spreche“, schrieb Boris Becker. Und Klaas Heufer-umlauf nahm es mit Humor: „Notiz an mich: Passwort joko123 zu unsicher“, schrieb er bei Twitter.
In den vergangenen Jahren hatten Angreifer immer wieder mal Twitter-accounts von Prominenten und Unternehmen in ihre Gewalt gebracht. Eine so breite Welle wie am Mittwoch gab es aber noch nicht.
Der Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Europa war in den vergangenen Tagen eskaliert. Deutschland und den Niederlanden wurden aus der türkischen Regierung „Nazi-methoden“vorgeworfen. Präsident Recep Tayyip Erdogan griff zu Wochenbeginn auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an und warf ihr vor, Terroristen zu unterstützen. Als erstes Bundesland kündigte das Saarland an, Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker zu verbieten. Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst klargestellt, dass ausländische Regierungsmitglieder keinen Anspruch auf Einreise haben.
Am 16. April stimmen die Türken über eine Verfassungsreform ab. Sie würde die Macht von Staatspräsident Erdogan ausweiten. In Deutschland leben gut 1,4 Millionen wahlberechtigte Türken. (dpa)