Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Thüringer Gerichte können derzeit keine Abschiebehaft anordnen
Zuständige Haftanstalt in Eisenhüttenstadt verkündet Aufnahmestopp – Erleichtert das Justizministerium Duldungen?
ERFURT/GOTHA/EISENHÜTTENSTADT. „Es wird angefragt, wo die Betroffenen bei Festnahme untergebracht werden können.“Ein Schreiben mit diesem Satz ist in dieser Woche an das Landesverwaltungsamt in Weimar gegangen. Hintergrund: Im Landkreis Gotha sind fünf Asylbewerber, die ausreisepflichtig sind, sich der Abschiebung aber entzogen haben, zur Fahndung ausgeschrieben. Und können für den Fall ihrer Festnahme nicht in Abschiebehaft genommen werden – denn die Haftanstalt in Eisenhüttenstadt, mit der Thüringen eine entsprechende Kooperation geschlossen hat, ließ mitteilen, dass sie derzeit keine Abschiebehäftlinge aufnehmen kann. Das geht aus einem Schreiben hervor, dass dieser Zeitung vorliegt.
Wie mit den Asylbewerbern verfahren wird, für die aktuell Abschiebehaftbeschlüsse existieren, dazu kann weder ein Sprecher des Thüringer Justizministeriums noch des Thüringer Landesverwaltungsamtes antworten – die entsprechende Frage dieser Zeitung ist gestern schlicht ignoriert worden. Stattdessen gab es diesen Hinweis: „Zudem setzt Thüringen vor allem auf freiwillige Ausreisen. Dies ist das humanere, aber auch günstigere und erfolgreichere Mittel.“Bis 14. März habe es 175 freiwillige Ausreisen gegeben, 51 Asylbewerber seien bis Ende Februar abgeschoben worden. 2016 stellten sich die Zahlen so dar: 608 Asylbewerber wurden abgeschoben, 2007 reisten freiwillig aus.
Wie lange der Aufnahmestopp in Eisenhüttenstadt bereits existiert, dazu gibt es widersprüchliche Angaben. Aus dem Ministerium und dem Landesverwaltungsamt heißt es, die Information sei in dieser Woche kurzfristig ergangen. Im Schreiben des Kreises Gotha an das Landesverwaltungsamt wird indes erläutert, dass „mit Mail vom 21. Februar“mitgeteilt worden sei, „dass ein vorübergehender Aufnahmestopp in der Abschiebehafteinrichtung besteht“. Möglicherweise, das konnte gestern nicht abschließend geklärt werden, handelt es sich bei beschriebener Mail um eine Vorabinformation an die zuständigen Stellen in Thüringen. Bis 31. März 2017 soll hierzulande ohnehin gelockerte Regelungen für eine Abschiebung gelten. Das geht aus einem Schreiben des Justizministeriums aus dem vergangenen Dezember hervor, das eine Aussage über die „Aufenthaltsbeendigung von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern in den Wintermonaten 2016/2017“trifft und die Möglichkeit der Beantragung einer Duldung beschreibt. Pikant dabei: Der zuständige Bearbeiter im Justizministerium hat mit dem Schreiben auch einen Blanko-duldungsantrag versendet. Das Dokument sollte in Gänze über das Landesverwaltungsamt an die Ausländerbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte versendet werden.
Der vorformulierte Antrag bezieht sich auf die genannten Argumente, die zu einer Duldung führen könnten. In dem Zusammenhang erscheint die getroffene Aussage „Grundsätzlich ist die vollziehbare Ausreisepflicht auch während der Wintermonate [...] konsequent und auf angemessene Weise durchzusetzen“in einem anderen Licht. Wie viele Asylbewerber von dem Antrag Gebrauch gemacht und tatsächlich eine Duldung erwirkt haben, wird weder im Landesverwaltungsamt noch im Ministerium erfasst. Ein Ministeriumssprecher wies die Annahme aber entschieden zurück, dass es sich hierbei um einen Abschiebestopp durch die Hintertür handele: „Die Entscheidung, ob im Einzelfall eine Duldung nach den genannten Kriterien erteilt wird, obliegt, anders als bei einem Abschiebestopp, der jeweils zuständigen Ausländerbehörde.“
Der Cdu-bundestagsabgeordnete Tankred Schipanski, der das Schreiben ebenfalls kennt, sieht das anders: „Es handelt sich hier bei um einen Defacto-abschiebestopp.“Aus seiner Sicht werde vor diesem Hintergrund auch klar, warum ihm verweigert wurde, an einer Abschiebung teilnehmen zu dürfen (TLZ berichtete). „Dann hätte ich genau diese Dinge erfahren. Und daran hat diese Landesregierung kein Interesse.“
Schipanski: „De facto ein Abschiebestopp“