Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Wer schmecken will, muss schnuppern
Oh weh, eine teure Flasche Wein aufgemacht und dann schmeckt er nicht mal. Eigentlich müsste es heißen: Er riecht nicht, doch das Wort „riechen“ist im Deutschen relativ neu. Noch im Wörterbuch der Brüder Grimm war das Schmecken für Mund und Nase (!) verantwortlich. Früher wurde eben auch durch die Nase geschmeckt.
Zunge und Gaumen hatten bis 1909 nur vier Erlebnisse und Reizpunkte: süß, salzig, sauer und bitter. Dann isolierte ein findiger Japaner die Glutaminsäure aus der Fischsauce und Umami kam als fünfter Geschmackssinn dazu, „Umai“für würzig, und „mi“für Geschmack. Schnell hat sich Umami in allen Ecken unseres Lebens breitgemacht, das verteufelte Glutamat findet sich doch fast auf jeder Inhaltsliste eines Fertigprodukts. Igitt – wie lecker! Neuerdings streitet man darüber, Fett als sechsten Geschmack zu definieren. Ich stimme dem zu, weil Fettsäuren ja wirklich nicht riechbar sind, aber, nun ja, lecker schmecken.
Das allerwichtigste Genussorgan aber ist unsere Nase. Bis zu einer Billion Riechstoffe sollen wir wahrnehmen können. Das Schnuppern resultiert ja zumeist aus unserer Kindheit.
Doch Riechen kann man auch trainieren. Wenn Teller oder Weinglas serviert werden, riechen Sie doch einmal mit geschlossenen Augen an jeder einzelnen Komponente und denken Sie sich dabei an deren Ursprungsort zurück. Manchmal kann das eine Kuhweide sein, manchmal aber auch eine „feuchte Katze“, zum Beispiel beim Sauvignon blanc, der politisch korrekt nach reifem Holunder duftet.
Auch wenn es mal nicht so gut schmeckt oder riecht – es schult uns und macht Lust auf Neues. Zum Beispiel auf eine zweite wunderbare Flasche Wein, die uns einfach davonfliegen lässt, mit allen Sinnen ...