Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Chef in der modernsten Krankenhau­sküche Europas

Zu Besuch in der modernsten Krankenhau­sküche Europas in der Zentralkli­nik Bad Berka

- VON SIBYLLE GÖBEL

Dirk Scholze hat seit Jahresbegi­nn in der Küche der Zentralkli­nik Bad Berka das Sagen. Sie wurde für rund 4,1 Millionen Euro umgebaut und das System der Speisenver­teilung komplett umgestellt. Nach Klinikanga­ben ist sie damit die mo dernste in einem Krankenhau­s Europas. Neu ist, dass frisch gekochte Speisen herunterge­kühlt und erst kurz vor dem Servieren auf Verzehrtem­peratur gebracht werden. Foto: Thomas Müller

Die Soße kommt bei ihm nicht aus der Tüte, die Tomatensup­pe nicht aus der Dose: Obwohl Dirk Scholze gemeinsam mit seinem Team pro Tag um die 800 Mittagesse­n für Patienten und weitere 200 für das Personal zubereitet, legt der Chef der Krankenhau­sküche der Zentralkli­nik Bad Berka Wert darauf, „richtig zu kochen“. Ganz ohne sogenannte Convenienc­e-produkte kommt eine Küche dieser Größenordn­ung zwar trotzdem nicht aus – Scholze nennt als Beispiel rohe, aber bereits fertig geputzte und gefüllte Paprikasch­oten. Doch eine Brühe setzen Scholze und seine Kollegen, wie sie es gelernt haben, noch mit Knochen und Suppengrün an, für Tomatensup­pe oder -soße greifen sie auf Zwiebeln, Tomatenmar­k und klassische Gewürze zurück, das Rindergula­sch schmoren sie wie jede gute Hausfrau. Alles andere ginge Dirk Scholze, der aus dem Vogtland stammt und im Russischen Hof in Weimar gelernt hat, auch gegen die Berufsehre. „Wir kochen hier ganz normal. Warum sollten wir das nicht können?“

Scholze ist seit Jahresbegi­nn Chef in der nach Klinikanga­ben modernsten Krankenhau­sküche Europas. Gut vier Millionen Euro hat die Klinik im vergangene­n Jahr in die Hand genommen, um die Küche einmal komplett umzubauen, neu auszustatt­en und das System der Speisenver­teilung umzustelle­n. Bis dahin wurden auch in der Zentralkli­nik Mahlzeiten gekocht, portionier­t und direkt danach in Transportc­ontainern zu den Stationen gebracht. Dort stand das Essen mitunter noch eine halbe Stunde herum, bis es den Patienten kredenzt wurde, verlor an Farbe und Geschmack. Doch das ist Vergangenh­eit. Das Verfahren „cook & serve“(Kochen und Bedienen) wurde durch „cook & chill“(Kochen und Kühlen) ersetzt. Heute werden in der Zentralkli­nik die frisch gekochten Speisen binnen 90 Minuten auf 3 Grad Celsius herunterge­kühlt. Dabei bleiben alle Nährstoffe der einzelnen Zutaten erhalten. Erst später auf Station wird das Essen dann auf Induktions­feldern schrittwei­se wieder auf rund 70 Grad erhitzt. Es wird, wie es in der Fachsprach­e heißt, regenerier­t. Dazu sind in die Behältniss­e Induktions­spulen eingearbei­tet.

Dieses Verfahren, erklärt Dirk Scholze, hat viele Vorteile: Damit werde zum einen die Bakterienb­ildung unterbunde­n, was in einem Krankenhau­s mit vielen schwerkran­ken und frisch operierten Patienten natürlich besonders wichtig ist.

Aber auch ästhetisch sei das Ganze ein Gewinn. Statt graugelb und zermatscht kommt beispielsw­eise Brokkoli schön grün und bissfest an. Und nicht zuletzt spare das neue Verfahren Personal: Denn es bedeute einen enormen personelle­n Aufwand, das Essen sofort nach der Zubereitun­g so auf die Stationen zu verteilen, dass es beim Patienten auch noch einigermaß­en warm ankommt.

Am besten gefällt Dirk Scholze aber, dass er jetzt viel besser planen und die Hauptkompo­nenten der Gerichte immer schon zwei, drei Tage im Voraus zubereiten kann. Der Mutzbraten zum Beispiel, der an diesem Tag zu Kartoffeln und Bohnen in der Kategorie „Vollwertko­st“angeboten wird, musste eben nicht eilends an diesem Morgen geschmort werden, }sondern konnte ganz in Ruhe schon zwei, drei Tage vorproduzi­ert werden, um dann – geschwind herunterge­kühlt – im Lagerkühlh­aus bei 4 Grad Celsius auf seinen Einsatz zu warten. Wer wie Dirk Scholze aus der klassische­n Gastronomi­e kommt und deren Unwägbarke­iten kennt, schätzt es, so zu arbeiten. Ohne fortwähren­den Druck und Stress. Denn das ermöglicht es ihm auch, noch schnell zu reagieren, wenn etwas nicht reicht. Als neulich zum Beispiel statt der vorbereite­ten 500 Lachsfilet­s plötzlich 700 geordert wurden, konnten Scholze und sein Team die fehlenden 200 noch rasch zubereiten.

Die Mitarbeite­r, die die Teller und Tabletts füllen, stehen jeden Vormittag mit Gummihands­chuhen und Hauben am Band und füllen mit geübten Handgriffe­n die einzelnen, noch gekühlten Komponente­n für die Mittagsmah­lzeit ein. Täglich gibt es drei verschiede­ne Essen: Vollwert-, leichte und vegetarisc­he Kost. Sobald alle Mahlzeiten angerichte­t und die Tabletts in die mit Splitterei­s gekühlten Transportc­ontainer geschoben sind, wechselt die Mannschaft flugs in die Spülküche. Dort räumt sie nun die abgegessen­en Frühstücks­tabletts, die ab 5.45 Uhr zubereitet und auf die Stationen gebracht wurden, ab und in die Spülmaschi­ne. Gegen zwölf hat die Küchenmann­schaft dann selbst Mittagspau­se. „Mit der Aussicht darauf motiviere ich sie immer“, sagt Dirk Scholze lachend.

Danach ist dann schon wieder das Mittagsges­chirr an der Reihe, anschließe­nd die Vorbereitu­ng des Abendbrots. Der Tag ist eng getaktet, gegen halb drei für die Tagschicht Feierabend.

Nicht aber für Dirk Scholze, zu dessen Aufgaben es auch gehört, jeweils für sechs Wochen im Voraus den Speiseplan zu erstellen, dabei auf Ausgewogen­heit und Abwechslun­g zu achten. Und damit insgesamt um die 150 Mittagesse­n vorauszupl­anen, die sich nach Möglichkei­t in diesen sechs Wochen nicht wiederhole­n sollen. „Diesen Ehrgeiz haben wir“, versichert der 40-jährige Gastronomi­eleiter, der nebenher auch noch für das Personal- und das Patientenc­asino zuständig ist. „Es passiert höchstens, dass zum Beispiel Eier mit Senfsoße in der einen Woche als leichte und in der anderen als vegetarisc­he Kost angeboten werden.“Und natürlich leugnet der Küchenchef auch seine Herkunft nicht, wenn es etwa sonntags vogtländis­che Wickelhüte­s gibt, Klöße, in deren Teig Semmelbutt­er kommt. Am allerliebs­ten aber mögen die Patienten Klassiker wie Königsberg­er Klopse oder auch das Jägerschni­tzel in

Gestalt von panierter Jagdwurst.

Dass längst pro Tag nur ein bis zwei Köche gebraucht werden, um 1000 Mahlzeiten zu produziere­n, ist der modernen Technik zu verdanken: Scholze und seinen Kollegen stehen computerge­steuerte Kochund Rückkühlke­ssel zur Verfügung, mit denen Speisen sofort nach dem Garprozess binnen anderthalb Stunden auf 3 Grad abgekühlt werden können, um sie ins Lagerkühlh­aus zu bringen. Aber auch zwei riesige Multifunkt­ionsgeräte, die sich per Touchscree­n steuern lassen – Dirk Scholze sagt: „idiotensic­her – und sozusagen auf Knopfdruck Hunderte Portionen braten, dünsten, garen, frittieren. Eine Art Thermomix in XXL. Und vom Gastronomi­eleiter der Zentralkli­nikküche auch deshalb geschätzt, weil sich mit ihnen auch mal in 20 Minuten ein Gulasch zubereiten lässt. Konvektoma­ten, in denen sich Gemüse und Kartoffeln schonend dämpfen lassen, aber auch Fleisch braten lässt, sowie drei Schnellküh­ler (Chiller) zum Niedertemp­eraturgare­n, Kühlen und Schockfros­ten komplettie­ren den Maschinenp­ark im Herzen der Großküche, in der es aufgeräumt und sauber zugeht.

Nebenan, im Bereich der Spülküche, ist indes noch mehr Technik zu finden: Beispielsw­eise der Eisbereite­r, der das Splitterei­s produziert, das die Transportc­ontainer um die 24 Stunden kühlt. Pro Tag werden 1,5 Tonnen davon benötigt. Und da gibt es auch den Dampfreini­ger, der zum Ausdämpfen der geleerten Container mit 196 Grad heißem Dampf dient. „Damit wird jeder Keim abgetötet“, versichert Dirk Scholze, der nicht verhehlt, dass seine Mitarbeite­r dem neuen Gerätepark anfangs mit einer gewissen Skepsis begegneten. Aber inzwischen haben alle die Vorteile erkannt.

Und die Patienten? Ihnen scheint es sehr gut zu schmecken. Bei Dirk Scholze und seinem Team kommt jedenfalls nur selten eine kritische Rückmeldun­g an.

„Königsberg­er Klopse und Jägerschni­tzel sind noch immer die großen Renner.“

Dirk Scholze, Gastronomi­eleiter in der Küche der Zentralkli­nik Bad Berka

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 ??  ?? Gemüse wird schonend in Konvektoma­ten zubereitet.
Gemüse wird schonend in Konvektoma­ten zubereitet.
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 Tabletts werden am laufenden Band bestückt.

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