Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Awo: Prüfer stellen keine Verstöße fest
Staatsanwaltschaft ermittelt weiter
ERFURT. Nach einer anonymen Anzeige gegen die Thüringer Arbeiterwohlfahrt (Awo) hat der Bundesverband keine Verstöße festgestellt. Soweit Verhaltensweisen und Strukturen dem Geist des Unternehmenskodex nicht entsprächen, habe es Empfehlungen gegeben. Der Landesverband habe „entsprechende Maßnahmen eingeleitet“, hieß es. Die Awo hatte zwei Prüfungsgesellschaften beauftragt.
Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen die Awo dauern unterdessen an. „Es lässt sich derzeit noch nicht abschätzen, was möglicherweise an Ermittlungsaufwand zu betreiben ist“, so der Erfurter Oberstaatsanwalt Michael Lehmann auf Tlz-anfrage. Innerhalb der kommenden vier bis acht Wochen werde es keinen Verfahrensabschluss geben. Weiterhin gehe es um den „Verdacht der Untreue“. In der Anzeige werden elf Mitarbeiter genannt, aber voraussichtlich würden sich die Ermittlungen nicht auf den gesamten Personenkreis auswirken.
ERFURT. Michael Hack scheint einsichtig. Ein wenig zumindest. „Was ich erkannt habe aus dem ganzen Verfahren: Dass mir möglicherweise ein bisschen die Feinfühligkeit für Strömungen und Stimmungen im Verband verloren gegangen ist“, sagt der langjährige Geschäftsführer der Alten-, Jugend- und Sozialhilfe ggmbh (AJS), einer Tochter des Landesverbands der Thüringer Arbeiterwohlfahrt. Andere Kreisverbände hätten Ängste entwickelt vor dem, was die AJS tue.
Dass dem so ist, weiß Hack spätestens seitdem im August vergangenen Jahres in einer anonymen Anzeige umfangreiche Vorwürfe aufgelistet wurden. Es geht um vermeintlich zu einem Vorzugspreis gekaufte Wohnungen, angestellte Familienmitglieder und allerhand andere Verquickungen von privaten und geschäftlichen Interessen. Die Staatsanwaltschaft Erfurt sah darin Anlass genug, den Verdachtsmomenten nachzugehen und ermittelt seit Monaten.
Auch die Awo selbst war nicht untätig. Der Bundesverband, auf die Ungereimtheiten in Erfurt aufmerksam geworden, beauftragte die Wirtschaftsprüfer von Curacon dem Ganzen nachzugehen. Die Thüringer gaben parallel dazu KPMG das Mandat, die Vorgänge im Landesverband unter die Lupe zu nehmen.
Gestern nun konnte Hack verkünden: Natürlich fehle noch die abschließende Bewertung durch die Staatsanwaltschaft und der wolle man auch nicht vorgreifen. Aber: Beide Prüfungsgesellschaften hätten „keinerlei Hinweise auf Straftaten oder Vorteilsnahmen zum Schaden der Awo oder deren Gesellschaften festgestellt“. Beide Berichte listen seinen Angaben zufolge einige Verstöße gegen den verbandsinternen Unternehmenskodex auf. Dabei sei es in allen Fälle um „zu späte oder formal nicht korrekt erfolgte Informationen der Awo-gremien“gegangen. Jedoch sei in allen Fällen „kein materieller Schaden entstanden“.
Eine Zusammenfassung des Kpmg-berichts stellte der Geschäftsführer zur Verfügung. Darin wird beispielsweise bemängelt, dass Nachträge zum Vertrag mit der Hausverwaltungsgesellschaft Erfurt (HTV) der Zustimmung des Aufsichtsrats bedurft hätten. „Diese wurde jedoch nicht eingeholt, sodass festgestellt wird, dass der Geschäftsordnung und dem Awo-unternehmenskodex in diesem Punkt nicht gefolgt wurde.“Nicht ganz unerheblich: Der Htv-geschäftsführer ist Ajs-aufsichtsratschef. Zum 31. Dezember 2017 soll der Vertrag mit der HTV aufgelöst werden.
Auch im Zusammenhang mit der Anstellung von Hacks Tochter oder des Sohnes seiner Frau sahen die Prüfer Transparenzdefizite. Hacks Bruder, als Fahrer und Hausmeister angestellt, wohnte knapp fünfeinhalb Jahre in einer von der AJS bezahlten Dienstwohnung, die ihm laut Vertrag nicht zustand. Es habe sich dabei um ein Appartement gehandelt, das mit seiner eigenen Dienstwohnung verbunden gewesen sei, begründete Hack die Entscheidung.
Als Hack und seine Gattin, die schon bei der Awo arbeitete, bevor sie seine Frau wurde, fünf Wohnungen kauften, wurde ebenfalls nicht sofort alles offengelegt, um den „Anschein von Eigennutz zu vermeiden“, so die KPMG. Allerdings wurden „keine Hinweise identifiziert, dass Fördergelder in Anspruch genommen oder Mittel der AJS für den Ausbau von Privatwohnungen der Mitarbeiter verwendet wurden“, heißt es weiter.
Hack sagt, er habe die Awo immer als „seine große Familie gesehen“und die sei ihm momentan entglitten. Er müsse nun schauen, welchen Beitrag er leisten könne, um dies zu ändern. Dazu gehöre unter anderem, dass Offenlegungs- und Zustimmungspflichten in den Gremien gestärkt worden seien.
Die Staatsanwaltschaft wurde bei der Awo noch nicht vorstellig. Es habe keine Hausdurchsuchungen oder Vorladungen gegeben, berichtet Hack.
Nach Angaben des Ajs-prokuristen Sebastian Ringmann, müssen alle Führungskräfte und Aufsichtsräte jetzt einmal jährlich eine Erklärung abgeben, welche verwandten oder nahestehenden Personen im Unternehmen beschäftigt sind oder mit welchen nahestehenden Mitarbeitern anderer Unternehmen Geschäfte gemacht würden. Es gehe um „maximale Transparenz“.
Ein Awo-sprecher teilte auf Tlz-anfrage mit, dass neben Hacks Familienangehörigen die Lebenspartnerinnen der beiden Prokuristen als Kita-leiterinnen bei der AJS arbeiten. Beide seien aber bereits vor der Beziehung in diesen Positionen tätig gewesen.
Außerdem arbeite der Adoptivsohn des zweiten Geschäftsführers Achim Ries als Koch bei Awo-dienstleistungsunternehmen. Der Stiefsohn des Geschäftsführers sei Pflegefachkraft in einem Südthüringer Pflegeheim. Und auch zwei von 14 Aufsichtsratsmitgliedern hätten angezeigt, dass Familienangehörige in Kindertagesstätten der Awo beschäftigt seien.