Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Anspruch auf Urlaub bleibt bestehen
Schwangere konnte diesen aufgrund eines individuellen mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes nicht nehmen
ERFURT. Es ist in den Unternehmen allgemein üblich, dass bereits zu Jahresbeginn die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer gesammelt werden und die Urlaubsgenehmigungen erteilt werden. Problematisch wird dies, wenn eine Mitarbeiterin im Laufe des Jahres schwanger wird und aufgrund der Schwangerschaft zur Vermeidung der Gefährdung von Mutter und Kind ein Beschäftigungsverbot erhält.
In diesem Fall stellt sich die Frage, was mit dem bereits genehmigten Urlaub passiert. Das Bundesarbeitsgericht hat bisher aufgrund einer Entscheidung aus dem Jahre 1994 entschieden, dass der Urlaubsanspruch nicht wieder auflebt. Der Urlaub ist mit der Genehmigung des Urlaubsantrages bereits gewährt worden. Von dieser Entscheidung ist das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 9. August 2016 (Aktenzeichen: 9 AZR 384/92) abgerückt.
In dem vorliegenden Fall hatte die Klägerin im Jahre 2013 ihren Urlaub bereits beantragt und im Februar genehmigt bekommen. Im Juni 2013 informierte sie ihren Arbeitgeber darüber, dass sie schwanger ist. Der Arbeitgeber hat daraufhin der Klägerin ein vollständiges Beschäftigungsverbot ausgesprochen, da sie mit potenziell infektiösem Material während ihrer Arbeitstätigkeit in Berührung kommt.
Während des Zeitraums des Beschäftigungsverbotes lagen seitens der Klägerin genehmigte Urlaubsanträge für insgesamt 17 Urlaubstage vor. Nachdem ihr Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Mutterschutzfristen und der Elternzeit geendet hatte, begehrte sie von der Arbeitgeberin die finanzielle Abgeltung dieser 17 Urlaubstage aus dem Jahr 2013.
Das Erfurter Bundesarbeitsgericht gab, wie auch Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht, der Klägerin Recht. Es stellte fest, dass die Genehmigung des Arbeitgebers und die damit verbundene Freistellungserklärung für die Urlaubstage nur dann ein Erlöschen des Urlaubsanspruches zur Folge haben, wenn für den Freistellungszeitraum auch eine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers besteht. Diese liegt jedoch nicht vor, wenn ein Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz erfolgt ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein individuelles oder generelles Beschäftigungsverbot handelt. Das gilt, unabhängig davon, ob bei der Klägerin der Zweck der Urlaubsgewährung, nämlich die Erholung, eintreten kann.
Hat eine Arbeitnehmerin ihren Urlaub nicht oder nicht vollständig vor dem Beginn eines Beschäftigungsverbotes erhalten, so ist ihr im laufenden beziehungsweise nächsten Kalenderjahr nach Rückkehr auf dem Arbeitsplatz der Urlaub zu gewähren. Da das Arbeitsverhältnis aber im vorliegenden Falle beendet worden ist, wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen finanziellen Urlaubsabgeltungsanspruch um und die Klägerin hatte Anspruch auf die entsprechende Zahlung.
Die Autoren sind Kerstin Lange vom Verband der Metall- und Elektro-industrie Thüringen und Kathrin Stocky vom Allgemeinen Arbeitgeberverband Thüringen.