Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Sanktionen stärken Russland auf Sicht
Interview mit Experten der Landesbank
GERA. Zum Ländersprechtag Russland war am Mittwoch Heinrich Steinhauer zu Gast bei der Sparkasse Gera-greiz. Der Leiter der Helaba-repräsentanz in Russland informierte Unternehmer über die geänderten Rahmenbedingungen bei Geschäften mit Russland.
Die Europäische Union muss entscheiden, ob die Sanktionen über den 31. Juli hinaus verlängert werden. Welche Folgen hätte dies für die russische Wirtschaft?
Meine Einschätzung ist, dass die Sanktionen verlängert werden. Das bringt Schaden, aber auch Nutzen für die russische Wirtschaft. Die Diversifizierung schreitet weiter voran, also die heimische Wirtschaft erschließt sich weitere Bereiche, die bislang nicht besetzt waren. Die Wertschöpfung im eigenen Land steigt.
Profitiert Russland als Land sogar von den Sanktionen?
Aus meiner Sicht wird das Russland neue Stärke bringen. Durch die Sanktionen gibt es den nötigen Druck von außen, die neuen Wirtschaftsfelder zu erschließen. Ein Beispiel ist die Landwirtschaft, in der Russland nun weniger Waren des täglichen Bedarfs importiert und sich bis auf wenige Luxusprodukte und Südfrüchte selbst versorgt. Das Land ist nun selbst zum Exporteur geworden. Das lässt sich auch auf andere Wirtschaftsbereiche übertragen.
Viele Thüringer Unternehmen schrecken wegen der Sanktionen davor zurück, weiter Handel mit Russland zu betreiben. Ist das sinnvoll?
Zunächst: Die Sanktionen betreffen nur sehr wenige Bereiche, so dass durchaus die Möglichkeit besteht, weiter mit Russland zu handeln. Von 1000 Geschäftsanfragen mussten wir nur sieben wegen möglicher Sanktionsverstöße ablehnen. Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit sind sehr wichtige Voraussetzungen: Wer seine Partner nicht im Regen stehen lässt und im Rahmen des rechtlich Möglichen agiert, hat sich eine Basis für künftige Geschäfte gelegt.
Warum sollten die Unternehmer nicht lieber erst mal abwarten?
Märkte bleiben nie lang unbesetzt. Sind sie gefüllt, bleibt man außen vor – häufig dauerhaft. Um wieder hineinzukommen, muss man sich teuer einkaufen. Es wäre fatal, eigene Netzwerke in Russland ruhen zu lassen.
In welchen Wirtschaftsbereichen haben Thüringer Unternehmen Chancen auf neue Exportgeschäfte mit Russland?
Kreuz und quer durch alle Industriezweige, in denen Technologien eingesetzt werden, die nicht auf der Sanktionsliste stehen. Russland ist sehr begierig, sich technologisch gut aufzustellen – davon können gerade deutsche Firmen profitieren.
„Es wäre fatal, eigene Netzwerke in Russland ruhen zu lassen.“
Heinrich Steinhauer
Viele Unternehmer schreckt die Korruption. Ist diese wirklich so stark ausgeprägt?
Korruption ist zwar ein Thema, aber die westliche Wahrnehmung davon ist eine Mär. Korruption gibt es auch in Deutschland, wenn auch als seltene Ausnahme. In Russland sind die Ausnahmen etwas häufiger. Es liegt jedoch im Fokus des Staates, dagegen schärfer vorzugehen, was in den vergangenen Jahren auch passiert ist.