Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Mighty Mouse und deutsche Oma
Gayle Tufts sucht und findet im Köstritzer Spiegelzelt Superheldinnen
WEIMAR. Licht blendet auf, Nebel wabert, der Vorhang öffnet sich, heraus stürmt Mighty Mouse, singt und rettet uns den Tag. Gayle Tufts, Superwoman, theatralisch, sympathisch, amerikanisch, ist im Weimarer Spiegelzelt und sucht Superheldinnen.
Auf der Bühne ist Gayle Tufts eine Granate. Sie strotzt wie immer vor Kraft und Selbstironie und spießt auch mit strengem Blick deutsche Merkwürdigkeiten auf. Bewusst setzt sie ihr Denglisch ein, „unsere Welt ist fucked up“, versprüht in Sekunden ihren Witz und lässt ihrem Charme freien Lauf. Auf den Knien erbittet sie Vergebung für den Mann mit orangenem Haar, „diese schreckliche Mischung aus Dieter Bohlen, Dagobert Duck und Pegida-anhänger“, dessen Namen sie kaum in den Mund nehmen will. Und dann beklagt sie ihn doch, den „Trump Rump“, den aus Frust prall angefressenen Allerwertesten. Aber wo zwischen verfilmtem Comic (Wonder Woman) und Musical (Mary Poppins) gibt es denn die realen Superfrauen? In der Politik? Marine Le Pen? Frauke Petry?
Gayle Tufts winkt ab. Schon eher bei Sängerin und Songwriterin Adele, deren Lied „When We Were Young“sie interpretiert. Und dann erinnert sie sich an Krankenschwester Petra, widmet der Kartoffel als Grundnahrungsmittel und Überlebensretter für so viele Menschen ein Lied, ehrt die solide deutsche Oma und ihr eingekochtes Quittengelee und hat sie schon gefunden, die Heldinnen des Alltags.
Gayle Tufts rockt das Spiegelzelt,
mit ihrer Stimme, ihrer Nähe, ihrem komödiantischen Talent, ihrer unbekümmerten Meinung zur Politik, ihrer guten Laune – kongenial unterstützt von Marian Lux am Flügel. Die Zuschauer stehen für sie auf, feiern sie für ihre Wandlungsfähigkeit und Bodenhaftung.