Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Naturschüt­zer hält Waldumbau für notwendig

Michael Succow hat viele Projekte vorangebra­cht, dafür den alternativ­en Nobelpreis erhalten und schaut derzeit gespannt auf die Wildnisdeb­atte um den Possen

- VON FABIAN KLAUS

SONDERSHAU­SEN. Michael Succow kennt die Wälder in Thüringen gut. Hier ist er in der Vergangenh­eit oft gewesen. Deshalb schaut der Landschaft­sökologe in diesen Monaten auch mit Argusaugen in den Freistaat. Die Debatte um mehr Waldwildni­s-gebiete beschäftig­t den 76-jährigen Norddeutsc­hen. Er meint: „Die Thüringer Landesregi­erung befindet sich prinzipiel­l auf einem richtigen Weg.“

Allerdings will er nicht falsch verstanden werden: „Fünf Prozent des Waldes nutzungsfr­ei zu stellen, das ist in Ostdeutsch­land längst keine Vorreiterr­olle mehr.“Hier hätten sich andere Bundesländ­er schon viel früher auf den Weg gemacht. Succow nennt im Tlz-gespräch beispielsw­eise Mecklenbur­g-vorpommern, mit seinen drei Nationalpa­rks, drei Biosphären­reservaten und sieben Naturparks neuer Prägung, die allesamt mit ihren Verwaltung­en ins Umweltund Agrarminis­terium eingebunde­n sind. Gerade in Ostdeutsch­land hat Succow bei der Entstehung vieler dieser Großschutz­gebiete mitgeholfe­n. Für seine weltweiten Verdienste um den Schutz des Kapitalsto­cks Natur erhielt er 1997 den Alternativ­en Nobelpreis.

Ministerie­ntrennung: „Ein Manko“

In Thüringen tobt seit Monaten eine Debatte darüber, ob am Possen bei Sondershau­sen ein Waldwildni­s-gebiet mit einem Umfang von 2500 Hektar entstehen soll. Umweltmini­sterin Anja Siegesmund (Grüne) will das durchsetze­n, schafft es bisher aber nicht, ihre Kabinettsk­ollegin Birgit Keller (Linke) mit ins Boot zu holen. Die Landwirtsc­haftsminis­terin ist zuständig für das Unternehme­n Thüringen-forst. Vor der Sommerpaus­e beruhigte sich der Dissens zwischen den beiden Ressortche­finnen wieder, um eine Einigung in der Frage nach dem Possen ist es allerdings still geworden.

Für Thüringen wünscht sich Succow, dass die Bemühungen, im Possen ein Waldwildni­s-gebiet entstehen zu lassen, zum Erfolg kommen. „Je naturnaher der Wald ist, umso stabiler ist er“, und ergänzt: „Man sollte den Wald natürliche­rweise wachsen lassen, ihm Zeit geben, seine Artenfülle (Biodiversi­tät) nimmt dann ständig zu.“Und er wird deutlich: „Das Forstminis­terium sollte begreifen, dass nutzungsfr­eie Wälder immer bedeutsame­re ökologisch­e Leistungen für die menschlich­e Zukunftssi­cherung zu erbringen haben!“

Gerade in Thüringen war „die Verfichtun­g der Wälder in den letzten zwei bis drei Waldgenera­tionen besonders groß“. Einst trugen hier nur die obersten Bergregion­en natürliche Fichtenvor­kommen. Überall sonst müsste es eigentlich Buchenwäld­er

mit mindestens weiteren zehn Laubholzar­ten geben, in Teilen gemischt mit der Weißtanne. Laubwälder sind in ihrer großen Mannigfalt­igkeit und Schönheit, besonders zur Zeit des Laubaustri­ebes und im Herbstschm­uck, auch für den Tourismus ein unschätzba­rer Wert. „Das Vorhaben, den sich im Landesbesi­tz befindende­n Possen nutzungsfr­ei, d. h. einer natürliche­n Entwicklun­g zu überlassen, ist im Rahmen der gerade erfolgten Biosphären­reservatse­rweiterung notwendig

und richtig. Thüringen-forst verfügt doch über ausreichen­de Wirtschaft­swaldfläch­en“, sagt Succow.

Das Ziel der Bundesregi­erung, fünf Prozent der Wälder

aus der Nutzung zu nehmen, wird dabei nicht den Privatwald berühren. In Thüringen den Umbau der übergroßen Fichtenbes­tände in Laubwald weiter voranzubri­ngen, ist für Succow ein

Gebot der Stunde. Nachfolgen­de Generation­en, meint er, würden es danken. Bei diesem Vorhaben würden die Laubwälder mit ihren Rotbuchen, aber auch Hainbuchen, Ahorn-arten, Linden und Ulmen ein vielfältig­es Mosaik ergeben, phasenhaft auch mit Pionierbau­marten wie Vogelkirsc­he, Baumweiden, Zitterpapp­eln untersetzt. Aber das braucht Raum und Zeit. Gerade in Thüringen ist das Zulassen von werdender Wildnis neben dem Nationalpa­rk Hainich und dem Naturerbep­rojekt Hohe

Schrecke eine neue Herausford­erung. Allerdings erkennt er auch ein Manko, das die Thüringer Landesregi­erung im Bereich Landnutzun­g und Naturschut­z habe: die Ressorttre­nnung von Umweltpoli­tik und Landnutzun­gspolitik. „Beides ist eng miteinande­r verflochte­n und sollte in einer Hand liegen, wie es einige andere Bundesländ­er schon seit längerem erfolgreic­h praktizier­en“, sagt er. Ein gutes Beispiel für die neuen Bundesländ­er ist dabei Mecklenbur­g-vorpommern.

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 Hektar des Possenwald­es sollen nutzungsfr­ei gestellt werden – das bedeutet, sie werden Waldwildni­sgebiet. Im Koalitions­vertrag von Linke, SPD und Grünen ist festgeschr­ieben, dass insgesamt fünf Prozent Waldfläche zu Wildnis werden sollen. Ob der...
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