Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Optimismus der Dfb-frauen birgt auch große Gefahren
Bei den deutschen Fußballerinnen liegt einiges im Argen. Im Emviertelfinale gegen Dänemark ist Vorsicht geboten
SINTMICHIELSGESTEL. In jedem Reiseführer zur Region Noord-brabant mit seinen vielen Naturgebieten ergeht der Hinweis: Es gibt das ganze Jahr über deutliche Niederschläge. Die Gemeinde Sint-michielsgestel, in dem die deutsche Frauennationalmannschaft nun noch mindestens bis zum Wochenende untergebracht ist, macht da gerade gar keine Ausnahme. In Windeseile wechseln sich blauer Himmel und graue Wolken ab. Wo eben noch die Sonne schien, geht auf einmal ein Platzregen nieder. Auch am Tag nach dem Vorstoß ins Viertelfinale – Gegner ist Dänemark (Samstag 20.45 UHR/ZDF) – war mal wieder in der idyllischen Umgebung des Teamhotels alles geboten.
Der personifizierte Sonnenschein
Was irgendwie ja ein gutes Sinnbild gibt für die Verfassung der deutschen Fußballerinnen, die sich bei der EM in den Niederlanden irgendwie auch launisch präsentieren. Eigenartig nur: Nach dem dritten Gruppenspiel gegen Russland (2:0) ist Steffi Jones der personifizierte Sonnenschein. Strahlend und glücklich. „Nervenaufreibend in positivem Sinne“sei es gewesen, sagte die Bundestrainerin und wirkte in Utrecht so tiefenentspannt wie ihre Comic-figur Charlie Brown, den kleine Pannen schon mal gar nicht aus der Bahn werfen. Passt der sympathische Pechvogel gerade besonders gut für eine, die unerschütterlichen Optimismus vorlebt?
„Bis auf die Torabschlüsse bin ich mit dem Sieg zufrieden. Es war eine große Leistung, was Laufbereitschaft und Wille angeht.“Und dann setzte die stets positive denkende Powerfrau noch einen drauf: „Wir haben wieder eine Steigerung gesehen. Der Knoten platzt, die Maschinerie ist jetzt ins Rollen gekommen.“6458 Stadionbesucher in Abklatschen nach dem : gegen Russland: Bundestrainerin Steffi Jones (Mitte) ist eine stets positiv denkende Powerfrau. Die -Jährige attestierte ihrem Team „eine große Leistung, was Laufbereitschaft und Wille angeht“. Foto: Maja Hitij/getty
Utrecht – mehr als sieben Millionen Fernsehzuschauer sahen beim ZDF zu – hatten eigentlich einen anderen Eindruck mitgenommen: nämlich den, dass der achtfache Europameister für die Titelverteidigung noch viel, viel besser werden muss, und außer im Tor gilt das für alle Mannschaftsteile.
Um einen international nur zweitklassigen Gegner auf die Bretter zu zwingen, brauchte es Strafstöße von Babett Peter (10.) und Dzsenifer Marozsan (56.). Damit resultierten drei der vier Em-treffer aus Elfmetern. Ist das nicht ein bisschen wenig? „Mir ist wurscht wie die Tore fallen“, entgegnete die zur „Spielerin
des Spiels“gekürte Abwehrchefin Peter.
Gegen Dänemark ist Vorsicht geboten: Mit Pernille Harder vom VFL Wolfsburg läuft eine der besten Stürmerinnen der Welt auf, und vielleicht ist ganz gut, dass die von Jones auf Hochtouren laufende Rotationsmaschine eine Vereinskameradin ausgespuckt hat, die den Drehund Angelpunkt beim Gegner bestens kennt: Lena Goeßling. Nach mehr als acht Monaten ohne Pflichtspiel avancierte die 31-Jährige beim Kaltstart zu einer der besten Spielerinnen.
Mit der Bundestrainerin stand sie im ständigen Austausch, erzählte die unter einem Knochenödem
am Fuß leidende Goeßling, weshalb es wohl kein Zufall ist, dass auch sie felsenfest ans Happyend glaubt: „Wir haben unser Pulver noch nicht verschossen – wir haben uns die Tore für die nächsten drei Spiele aufgespart.“Diese Sichtweise zieht sich wie ein roter Faden durch die deutsche Delegation, die ganz anders als zu diesem Zeitpunkt bei der EM 2013 in Schweden keine interne Aussprache für nötig hält.
Im Gegenteil. „Wir haben das astrein gemacht“, gab Kapitänin Marozsan zu Protokoll. Ihr ist jeder kritischer Ansatz fremd: „Steffi stellt nach dem Gegner auf – wir sind Gruppenerster, also
hat sie bisher alles richtig gemacht.“Vielleicht ist die Perspektive ja wirklich nicht so schlecht, wo der auf 16 Teilnehmer erweiterte europäische Leistungsvergleich diese Erkenntnis liefert: Die Zeiten der Dominanz weniger Topteams sind im Frauenfußball passé. „Wenn wir Europameister werden, fragt keiner mehr danach, wie viele Elfmeter wir dafür geschossen haben“, sagte Goeßling, grinste sich einen und ging. Hieß doch: Es kann alles noch gut ausgehen. Übrigens auch mit dem Wetter. Die Prognose fürs Wochenende sagt in der Region vermehrt Sonnenschein voraus. Und kaum noch Niederschläge.