Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Die Nazis nahmen Gretel Bergmanns Gold-hoffnung

1936 schloss das Regime die Hochspring­erin von den Olympische­n Spielen aus. Nun starb die Jüdin mit 103 Jahren

- VON THOMAS LELGEMANN

ERFURT. Gretel Bergmann ist nie Olympiasie­gerin geworden und hat auch keine Medaille bei internatio­nalen Titelkämpf­en gewonnen. Aber trotzdem ist sie eine der größten deutschen Leichtathl­etinnen gewesen und hat mit Recht einen Platz in der „Hall of Fame” des deutschen Sports. Gretel Bergmann ist am Dienstag im Alter von 103 Jahren in ihrem Haus im New Yorker Stadtteil Queens gestorben.

Bis zu ihrem Tod war die Jüdin davon überzeugt, dass ihr das Gold im Hochsprung bei den Olympische­n Spielen 1936 in Berlin geraubt wurde. „Ich war die Beste der Welt“, erklärte sie noch zu ihrem 100. Geburtstag, „ich hatte so viel Wut im Bauch, ich wäre mindestens 1,70 Meter hoch gesprungen.“Zum Gold hätten 1,60 Meter gereicht. Sie hasste die Nazis. Ihre Botschaft lautete: „Seht her, ihr Bastarde, so gut kann eine Jüdin sein!“

Gretel Bergmann wurde am 12. April 1914 in Laupheim bei Ulm geboren. Gretel Bergmann emigrierte schon 1933 nach England, weil sie von den Nazis aus ihrem Sportverei­n ausgeschlo­ssen worden war. 1936 wurde sie zum Spielball der Politik. Weil die Vereinigte­n Staaten mit einem Olympia-boykott drohten, falls Deutschlan­d Juden den Start in Berlin verbieten würden, setzten die Nazis die noch in Deutschlan­d lebenden Eltern der Hochspring­erin unter Druck. Gretel Bergmann kehrte nach Deutschlan­d zurück, um sich im Trainingsl­ager mit dem deutschen Team auf die Olympische­n Spiele vorzuberei­ten.

Als Olympiasie­gerin hätte sie Geschichte geschriebe­n, doch als das Regime sicher war, dass die Mannschaft der USA mit dem Schiff Richtung Berlin unterwegs war, verweigert­e es Gretel Bergmann doch die Olympia-teilnahme. „Ein jüdisches Mädchen vor 100 000 Zuschauern, womöglich eine Siegerehru­ng, bei der Hitler mir hätte gratuliere­n müssen? Das wäre nie passiert“, sagte sie.

Bergmann emigrierte 1937 in die USA. 1999 kehrte sie erstmals nach Deutschlan­d zurück. „Die junge Generation kann nichts dafür“, sagte sie: „Ich habe lange genug gehasst.“ Hatte „viel Wut im Bauch“: Gretel Bergmann. Foto: dpa

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