Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Alte neue Schätze

Zauberin Helene schreibt über Stilettos und Lieblingss­hirts, einen mit Klamotten bedeckten Fußboden bei ihr zu Hause und über ihr ewiges Vorbild

- VON MARIE HELENE ANSCHÜTZ

Es ist Dienstag. Es ist 19 Uhr. Früher haben wir uns viel später getroffen, um zusammen auszugehen. Heute gehen wir nicht mal aus.

Wir haben zu Hause heute den ersten Mädelsfloh­markt. Das hat weder mit einem Menschenhä­ndlerring noch mit Prostituti­on zu tun. Wir treffen uns, um Klamotten untereinan­der zu verkaufen oder zu tauschen. Zehn Frauen mit Sektgläser­n in der Hand wandern durch das Wohnzimmer. Sie kichern, posieren und beraten sich gegenseiti­g: „Ja, das steht Dir! Tolle Farben, betont deine Wangenknoc­hen!“

Mich fasziniert das Bild so sehr, dass ich sogar überlege, darüber ein Theaterstü­ck zu schreiben. Nachdem ich einen solchen Abend mit meinen Freundinne­n in meinen eigenen vier Wänden abgehalten habe. Und tatsächlic­h – die Voraussetz­ung

von Sekt, Stilettos und feinen Fähnchen ist ein Garant für einen guten Abend.

Schnell war die Stimmung am Höhepunkt und waren die Shirts am Boden. Hemmungen wurden abgestreif­t wie Hosen. Sogar die Beratung der Freundin, ob ein gestrickte­r Minirock wieder in Mode sei, gefällt fast besser, als für sich selbst ein Outfit auszusuche­n. Ein Phänomen dabei, dass viele Frauen kennen: Man will den rot-gelb geringelte­n Pullover eigentlich ausmisten, sieht ihn an der Freundin, und da gefällt er einem wieder. Auch der Haufen der Klamotten wird nicht weniger, da man ja proportion­al neue alte Schätze auf den Stapel packt.

Natürlich konnte ich nicht umhin, mich zu fragen, ob das Vorbild dafür nicht doch wieder die ewig aktuelle Carrie Bradshaw (Darsteller­in in der Tv-serie „Sex in the City“) ist? Ist es nicht ein Mordsspaß, ihr auf dem Bildschirm beim Ausmisten zuzusehen, wenn sie die Schildchen „Toss“oder „Take“hoch hält, was bedeutet Wegwerfen oder Nehmen? Die Freundinne­n halten gern die Antworten hoch, wenn sie Teile aus ihrem Schrank vorführt.

Was wird nun behalten? Alles, was aus gutem Material besteht, blau ist, der Figur schmeichel­t und den Typ unterstütz­t. Weggeworfe­n wird das, was zu eng, mit billigem Aufdruck oder aus Plastik ist.

Ob Pariserin, New Yorkerin oder Eisenacher­in: Wohlfühlen mit Stil ist der Schlüssel. Und ist es nicht noch schöner, sich im früheren Lieblingss­hirt der besten Freundin wohlzufühl­en?

Ein Abend, der gut fürs Portemonna­ie und für die Seele ist – deshalb macht es einfach nach.

 ??  ?? Helene Anschütz liebt Mode, Stil, Kunst und Kultur und ihr großes Vorbild Carrie aus einer amerikanis­chen Fernsehser­ie, die ebenfalls Kolumnen schrieb. Foto: Marie Helene Anschütz
Helene Anschütz liebt Mode, Stil, Kunst und Kultur und ihr großes Vorbild Carrie aus einer amerikanis­chen Fernsehser­ie, die ebenfalls Kolumnen schrieb. Foto: Marie Helene Anschütz
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