Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Abora die Vierte: Schilfernte für neuen Stapellauf
Der Experimentalarchäologe Dominique Görlitz bereitet mit Helfern der Projektgruppe und Aymaraindianern am Titicacasee in Bolivien seine nächste Schilfbootexpedition vor. 2019 soll sie von Sotschi nach Kreta führen, um frühe maritime Handelsbeziehungen
GOTHA. Dominique Görlitz will es wieder wagen. Der Experimentalarchäologe aus Chemnitz, der in Gotha geboren und in Hochheim aufgewachsen ist, bereitet seine nächste Expedition mit einem Schilfboot vor. Die Abora IV soll 2019 in See stechen, kündigt der 52-Jährige an. Mit einem erneut nach prähistorischem Vorbild gebauten Schiff soll die Reise des promovierten Biogeografen
und seiner Crew in Sotschi im Schwarzen Meer starten und durchs östliche Mittelmeer bis nach Kreta führen.
Seit vier Jahren bereitet er das Vorhaben mit der Projektgruppe für experimentelle Archäologie vor. Zurzeit ist er mit Helfern am Titicacasee in Bolivien. Das dort wachsende Totora-schilf eignet sich besonders gut für den Bau von Booten – und Aymaraindianer, die sich damit gut auskennen, helfen wie schon bei der Abora III dabei. Nachdem das Schilf geerntet ist, baut das deutsche Team mit dem
Bolivianer Fermin Limachi derzeit die Einzelteile des Schilfbootes, die dann in einem Schiffscontainer die Reise nach Sotschi (Russland) antreten, um dort nächstes Jahr zur Abora IV zusammengebaut zu werden.
In Bolivien dabei ist auch der Gothaer Peter Schmolke, Konstrukteur der Dilmun S, eines Trainingsbootes. Er ist schon auf der Abora III als erster Offizier mit über den Atlantik gesegelt.
Die technische Machbarkeit der prähistorischen Schilfbootseefahrt stehe bei dieser Expedition nun nicht mehr im Vordergrund, gelte sie doch nach den Fahrten mit der Abora I, II und III (1999, 2002 und 2007) als bewiesen. 2007 hatte Görlitz mit der Abora III von New York bis zu den Azoren das Funktionieren der Seitenschwertertechnik bei der Atlantiküberquerung für Hin- und Rückfahrt demonstriert (wir berichteten).
Die neue Expedition soll vielmehr die technologische Möglichkeit maritimer Verbindungen frühgeschichtlicher Bronzekulturen des Schwarzen Meeres
mit jenen des östlichen Mittelmeeres belegen. Görlitz und seine Crew wollen beweisen, dass beim Bau der Großen Pyramiden vor rund 4600 Jahren Werkzeuge aus Eisen zum Einsatz gekommen sein können.
„Dieses Metall, davon haben mich armenische Wissenschaftler überzeugt, holten die alten Ägypter vermutlich aus dem Kaukasus und brachten es über Dominique Görlitz (links) mit Fermin Limachi, einem bolivianischen Bootsbauer. Das geerntete Schilf wird auf dem Titicacasee in Bolivien mit einem Schiff ans Ufer gebracht. Auch der Gothaer Peter Schmolke (Foto rechts) hilft in Bolivien bei der Vorbereitung der neuen Expedition. Er ist schon auf der Abora III mit von New York zu den Azoren gesegelt.
das Schwarze Meer bis ins Land am Nil“, sagt Dominique Görlitz. Er sei sich sicher, dass schon lange vor dem 3. Jahrtausend vor Christus Menschen das Mittelmeer und das Schwarze Meer befuhren.
Eine weitere Spur würden uralte Zinnbronzen liefern. Diese kamen das erste Mal vor über 8000 Jahren im Balkan in den Gebrauch, wo diese Technologie jedoch schnell wieder verschwand. 3800 Jahre später scheint sich die Idee der Bronzetechnologie ein weiteres Mal ausgebreitet zu haben. Doch diesmal kam die Grundlage für diese Innovation (das Zinn) offenbar aus Mitteleuropa – „neuesten Erkenntnissen zufolge aus dem böhmisch-sächsischen Erzgebirge“, so Görlitz. Während die Mehrheit der deutschen Archäologen dieses Szenario strikt ablehnt, beruft sich Görlitz einmal mehr auf den griechischen Geschichtsschreiber und Geografen Herodot. Der pochte schon vor über 2500 Jahren darauf, dass sich Zinn im Gefolge des Bernsteins über die Donau und das Schwarze Meer in die Zentren der ägäischen Bronzekulturen ausgebreitet hatten.
Gunter Lencer aus Gotha gehört zur Abora-projektgruppe.