Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Kunstwerke im Keller müssen wegen Brandschut­z weg

Plastiken des Zirkels für Holzgestal­tung lagern im Elisabeth-gymnasium Eisenach – aber nur noch bis zum Jahresende

- VON FRANZISKA GRÄFENHAN

EISENACH. Der „Nischel“muss verschwind­en, die kleinen Schaukelti­ere auch. Die Gänge des Elisabeth-gymnasiums in Eisenach müssen bis Jahresende frei sein, oder zumindest gesichert. So will es der Brandschut­z. Für die zahlreiche­n Plastiken des Zirkels für Holzgestal­tung, die seit Jahrzehnte­n im Untergesch­oss der Schule lagern, bedeutet das vor allem eins: Umzug. Aber wohin sollen die Arbeiten aus Holz, Harz und Sandstein?

„Wir waren froh, dass wir hier ein Domizil gefunden haben“, sagt Lothar Munzert, seit 1966 Mitglied des Zirkels. Dieser wurde 1954 gegründet und gehörte zu Ddr-zeiten zum VEB Automobilw­erk Eisenach. Damals zählte die Gruppe zwölf Mitglieder, darunter Bau- und Möbeltisch­ler, Ingenieure, Designer. Noch drei sind es heute – neben Munzert arbeiten Volker Lehmann und Richard Schönmeyer in dem Werkraum, den die Schule ihnen im Keller zur Verfügung stellt. Alle drei engagieren sich seit Jahren im Fördervere­in des Gymnasiums.

„Wir hatten eine Begehung zum Brandschut­z im Haus. Nun müssen wir die Vitrinen und die Objekte aus dem Zwischenra­um wegräumen“, sagt Schulleite­r Tino Nazareth, dem letztlich nur die Wahl zwischen der Sicherung oder der Entsorgung der Objekte blieb. „Wir hätten das Glas der Vitrinen austausche­n und einen festen Stand für die Sockel schaffen müssen.“Der finanziell­e Aufwand dafür wäre jedoch sehr groß gewesen.

Bildhauer Volker Beier leitet den Zirkel an

„Außerdem wollen wir die Kunstwerke nicht länger verstecken“, meint Peter Grüneberge­r. Der Lehrer für Sport und Geschichte ist mit den Plastiken „aufgewachs­en“und verbindet zahlreiche Erinnerung­en mit ihnen. Im Clubhaus des Automobilw­erks hätten die Objekte jahrelang gestanden. Wie viele andere Jugendlich­e verbrachte auch Grüneberge­r seine Freizeit hier. „Mir sind die Figuren ans Herzen gewachsen und es ist mir ein Anliegen, dass sie jetzt nicht verloren gehen“, sagt er weiter.

Eine dieser Plastiken ist eine Büste aus schwarzem Stein, die von Kennern bloß „der Nischel“genannt wird. Nach der Disko sei der schwere Kopf einmal die Treppe herunterge­fallen. Der Plastik habe der Sturz nichts anhaben können, wohl aber der Treppe, erinnert sich Grüneberge­r gut an das massive Objekt, das der Steinmetz und Bildhauer Volker Beier einst fertigte. Der studierte Künstler, der unter anderem als Meistersch­üler bei Nikolai Wassiljewi­tsch Tomski und bei Gerhard Geyer gelernt hatte, leitete den Zirkel für Holzgestal­tung eine Zeit lang an. Unter Beiers Einfluss entstanden thematisch­e Arbeiten aus verschiede­nsten Materialen, die bei internatio­nalen Ausstellun­gen und jährlich bei den Arbeiterfe­stspielen gezeigt worden.

„Das Gemeinscha­ftsprojekt Traumbaum, das wir im Auftrag des Fdgb-bezirksvor­standes aus Fichte gefertigt haben, wurde sogar ausgezeich­net“, erinnert sich Munzert. Das über drei Meter hohe, fast zwei Meter breite Objekt sollte die Eingangsha­lle des Ferienheim­es in Finsterber­gen zieren. Auch ein Reliefzykl­us aus vier Ahorn-tafeln, der das kulturelle Leben in den Wohngebiet­en zeigte, entstand im Kollektiv. „Die Arbeit wurde der Sed-kreisleitu­ng übergeben. Nach der Wende war sie verschwund­en, wie viele andere unserer Werke“, sagt Munzert und nennt als ein weiteres Beispiel die fünf Schaukelti­ere, die für das Fdgb-ferienheim in Friedrichr­oda entstanden. Die Künstler selbst wissen nichts über den Verbleib ihrer Arbeiten, nur die Modelle, die jetzt im Keller des Elisabethg­ymnasiums lagern, zeugen noch von deren Existenz. „Wo sind die Sachen hin?“– Diese Frage stellen sich Munzert und die anderen Zirkelmitg­lieder seit Jahren.

In dem langen, dunklen Kellergang der Schule finden sich neben den Entwürfen noch einige andere Arbeiten des Zirkels. Die Pyramide, die das Kollektiv für den Markt zum Sommergewi­nn gefertigt hat, steht hier genauso wie etwa der aus Linde geschnitzt­e „Großvater“von Otto Manß, die Terrakotta-plastik „Rudolfo“von Silvio Roth oder „Der Kugelstoße­r“aus Sandstein von Lothar Ruppert.

Sie alle müssen nun weichen. Aber wohin? Eine Antwort darauf haben die verblieben­en Mitglieder des Zirkels nicht. Einige Arbeiten haben die Männer mit nach Hause genommen, um sie dort zu verwahren.

Aber was wird mit jenen Dingen, die keinen Besitzer mehr haben? Besondere Sorgen bereiten in diesem Zusammenha­ng die abstrakten, raumgreife­nden Arbeiten der bereits verstorben­en Helga Krapp. „Die Erben rühren sich nicht“, sagt Munzert. „Wir haben die übrigen Objekte vorerst in den Werkraum gestellt, damit sie nicht mehr im Gang stehen“, merkt Lehrer Grüneberg an. Zur Geltung kommen sie dort aber nicht.

 ??  ?? Lothar Munzert (oberes kleines Bild) sucht zusammen mit den anderen einen neuen Platz für die Plastiken im Keller des Elisabeth-gymnasiums Eisenach, darunter die Modelle der Schaukelti­ere (unteres kleines Bild), aber auch „Der Kugelstoße­r“sowie die Pyramide zum Sommergewi­nn (großes Bild).Fotos: Franziska Gräfenhan ()
Lothar Munzert (oberes kleines Bild) sucht zusammen mit den anderen einen neuen Platz für die Plastiken im Keller des Elisabeth-gymnasiums Eisenach, darunter die Modelle der Schaukelti­ere (unteres kleines Bild), aber auch „Der Kugelstoße­r“sowie die Pyramide zum Sommergewi­nn (großes Bild).Fotos: Franziska Gräfenhan ()
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