Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Kunstwerke im Keller müssen wegen Brandschutz weg
Plastiken des Zirkels für Holzgestaltung lagern im Elisabeth-gymnasium Eisenach – aber nur noch bis zum Jahresende
EISENACH. Der „Nischel“muss verschwinden, die kleinen Schaukeltiere auch. Die Gänge des Elisabeth-gymnasiums in Eisenach müssen bis Jahresende frei sein, oder zumindest gesichert. So will es der Brandschutz. Für die zahlreichen Plastiken des Zirkels für Holzgestaltung, die seit Jahrzehnten im Untergeschoss der Schule lagern, bedeutet das vor allem eins: Umzug. Aber wohin sollen die Arbeiten aus Holz, Harz und Sandstein?
„Wir waren froh, dass wir hier ein Domizil gefunden haben“, sagt Lothar Munzert, seit 1966 Mitglied des Zirkels. Dieser wurde 1954 gegründet und gehörte zu Ddr-zeiten zum VEB Automobilwerk Eisenach. Damals zählte die Gruppe zwölf Mitglieder, darunter Bau- und Möbeltischler, Ingenieure, Designer. Noch drei sind es heute – neben Munzert arbeiten Volker Lehmann und Richard Schönmeyer in dem Werkraum, den die Schule ihnen im Keller zur Verfügung stellt. Alle drei engagieren sich seit Jahren im Förderverein des Gymnasiums.
„Wir hatten eine Begehung zum Brandschutz im Haus. Nun müssen wir die Vitrinen und die Objekte aus dem Zwischenraum wegräumen“, sagt Schulleiter Tino Nazareth, dem letztlich nur die Wahl zwischen der Sicherung oder der Entsorgung der Objekte blieb. „Wir hätten das Glas der Vitrinen austauschen und einen festen Stand für die Sockel schaffen müssen.“Der finanzielle Aufwand dafür wäre jedoch sehr groß gewesen.
Bildhauer Volker Beier leitet den Zirkel an
„Außerdem wollen wir die Kunstwerke nicht länger verstecken“, meint Peter Grüneberger. Der Lehrer für Sport und Geschichte ist mit den Plastiken „aufgewachsen“und verbindet zahlreiche Erinnerungen mit ihnen. Im Clubhaus des Automobilwerks hätten die Objekte jahrelang gestanden. Wie viele andere Jugendliche verbrachte auch Grüneberger seine Freizeit hier. „Mir sind die Figuren ans Herzen gewachsen und es ist mir ein Anliegen, dass sie jetzt nicht verloren gehen“, sagt er weiter.
Eine dieser Plastiken ist eine Büste aus schwarzem Stein, die von Kennern bloß „der Nischel“genannt wird. Nach der Disko sei der schwere Kopf einmal die Treppe heruntergefallen. Der Plastik habe der Sturz nichts anhaben können, wohl aber der Treppe, erinnert sich Grüneberger gut an das massive Objekt, das der Steinmetz und Bildhauer Volker Beier einst fertigte. Der studierte Künstler, der unter anderem als Meisterschüler bei Nikolai Wassiljewitsch Tomski und bei Gerhard Geyer gelernt hatte, leitete den Zirkel für Holzgestaltung eine Zeit lang an. Unter Beiers Einfluss entstanden thematische Arbeiten aus verschiedensten Materialen, die bei internationalen Ausstellungen und jährlich bei den Arbeiterfestspielen gezeigt worden.
„Das Gemeinschaftsprojekt Traumbaum, das wir im Auftrag des Fdgb-bezirksvorstandes aus Fichte gefertigt haben, wurde sogar ausgezeichnet“, erinnert sich Munzert. Das über drei Meter hohe, fast zwei Meter breite Objekt sollte die Eingangshalle des Ferienheimes in Finsterbergen zieren. Auch ein Reliefzyklus aus vier Ahorn-tafeln, der das kulturelle Leben in den Wohngebieten zeigte, entstand im Kollektiv. „Die Arbeit wurde der Sed-kreisleitung übergeben. Nach der Wende war sie verschwunden, wie viele andere unserer Werke“, sagt Munzert und nennt als ein weiteres Beispiel die fünf Schaukeltiere, die für das Fdgb-ferienheim in Friedrichroda entstanden. Die Künstler selbst wissen nichts über den Verbleib ihrer Arbeiten, nur die Modelle, die jetzt im Keller des Elisabethgymnasiums lagern, zeugen noch von deren Existenz. „Wo sind die Sachen hin?“– Diese Frage stellen sich Munzert und die anderen Zirkelmitglieder seit Jahren.
In dem langen, dunklen Kellergang der Schule finden sich neben den Entwürfen noch einige andere Arbeiten des Zirkels. Die Pyramide, die das Kollektiv für den Markt zum Sommergewinn gefertigt hat, steht hier genauso wie etwa der aus Linde geschnitzte „Großvater“von Otto Manß, die Terrakotta-plastik „Rudolfo“von Silvio Roth oder „Der Kugelstoßer“aus Sandstein von Lothar Ruppert.
Sie alle müssen nun weichen. Aber wohin? Eine Antwort darauf haben die verbliebenen Mitglieder des Zirkels nicht. Einige Arbeiten haben die Männer mit nach Hause genommen, um sie dort zu verwahren.
Aber was wird mit jenen Dingen, die keinen Besitzer mehr haben? Besondere Sorgen bereiten in diesem Zusammenhang die abstrakten, raumgreifenden Arbeiten der bereits verstorbenen Helga Krapp. „Die Erben rühren sich nicht“, sagt Munzert. „Wir haben die übrigen Objekte vorerst in den Werkraum gestellt, damit sie nicht mehr im Gang stehen“, merkt Lehrer Grüneberg an. Zur Geltung kommen sie dort aber nicht.