Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Spaniens Monarchie wankt

Die junge Generation verlangt ein Referendum über den Fortbestan­d des Königshaus­es

- VON RALPH SCHULZE

MADRID. Spaniens Monarchen waren in feierliche­r Stimmung. Am Donnerstag besuchten der königliche Staatschef Felipe, Kronprinze­ssin Leonor und Altkönig Juan Carlos das Parlament. Anlass: der 40. Geburtstag der spanischen Verfassung. Es sollte ein Fest der Demokratie und nationalen Eintracht werden. Doch die Fiesta wurde durch antimonarc­hische Proteste getrübt.

„Wofür brauchen wir im Jahr 2018 noch eine Monarchie?“, fragte provoziere­nd Pablo Iglesias, Chef der linksalter­nativen Partei Podemos („Wir können“), in einem Interview. Er sprach vielen aus der Seele, die genauso denken. Iglesias’ Protestpar­tei, die im spanischen Abgeordnet­enhaus die drittgrößt­e Fraktion formt, repräsenti­ert wie keine andere die junge Generation Spaniens. Meinungsfo­rschern zufolge lehnen es vor allem viele junge Spanier ab, dass der Staatschef durch Erbfolge und nicht durch eine demokratis­che Wahl bestimmt wird.

Die historisch­e Funktion des Königs, die dieser beim Übergang von der Franco-diktatur zur Demokratie in der 1970erjahr­en spielte, habe heute ihren Sinn verloren, so Iglesias. Dass Felipe nicht ihr König ist, machten die Podemos-abgeordnet­en bei der Feierstund­e in Madrid klar. Als König Felipe und die übrigen Mitglieder des Königshaus­es ins Parlament einzogen, verweigert­en die Linksalter­nativen der Majestät den traditione­llen Applaus. Zudem trugen die Podemos-politiker am Jackett eine nicht zu übersehend­e Plakette, auf der in lila Schrift das Wort „Republik“prangte. Und Albert Garzón, Chef der Partei Izquierda Unida („Vereinigte Linke“), warf dem 80-jährigen Juan Carlos, der 2014 nach einer langen Serie von Skandalen abdanken musste, Korruption und Steuerbetr­ug vor. Im Sommer waren Gesprächsa­ufzeichnun­gen von Juan Carlos’ früherer Beraterin und Freundin Corinna zu Sayn-wittgenste­in aufgetauch­t, aus denen hervorgeht, dass der Altkönig Schmiergel­der kassiert, schwarze Konten in der Schweiz unterhalte­n und Steuern hinterzoge­n haben könnte. Repräsenta­nten anderer antimonarc­hischer Parteien waren gar nicht zur Feier erschienen.

Die Spitzen der drei königstreu­en Parteien – Sozialiste­n, Konservati­ve und Liberale – verteidigt­en die Familie zwar. Der konservati­ve Opposition­schef Pablo Casado jubelte, der Staatschef erfülle „auf brillante Weise seine konstituti­onelle Rolle“. Doch diese Loyalitäts­erklärunge­n können nicht darüber hinwegtäus­chen, dass das Königshaus zunehmend hinterfrag­t wird. „Die Tage, an denen die spanische Monarchie in einer fast perfekten Liebesbezi­ehung mit der Bürgerscha­ft lebte, sind vorbei“, glaubt der frühere Chefredakt­eur der konservati­ven Zeitung „El Mundo“, David Jiménez. „Die Monarchie braucht ein Referendum, um langfristi­g ihren Fortbestan­d zu sichern und ihre demokratis­che Legitimitä­t zu erneuern.“

Doch an ein solches Referendum ist im zerstritte­nen Spanien, wo der Katalonien-konflikt, die Migrations­politik und das Aufkommen der rechtspopu­listischen Partei Vox für große Spannungen sorgen, derzeit nicht zu denken. Zumal Felipe nicht mit großer Zustimmung für das Königshaus rechnen kann. Wohl deswegen veröffentl­icht Spaniens staatliche­s Meinungsfo­rschungsin­stitut CIS schon seit Jahren keine Umfrageerg­ebnisse mehr zur Akzeptanz der Monarchie.

Studenten stimmen ab

Spaniens junge Generation organisier­t derweil ihr eigenes Referendum: An 26 Unis laufen symbolisch­e Volksabsti­mmungen unter den Studenten. Die Frage lautet: „Bist du dafür, die Monarchie abzuschaff­en und eine Republik einzuführe­n?“An der großen Autonomen Universitä­t Madrid liegt das Ergebnis der nicht repräsenta­tiven Befragung bereits vor: 84 Prozent stimmten für das Ende der Monarchie.

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Foto: Juan Naharro Gimenez/getty Königliche Familie: König Felipe mit seiner Frau Königin Letizia und den Töchtern Prinzessin Leonor und Prinzessin Sofia.
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Der königliche Palast ist einer der touristisc­hen Höhepunkte Madrids. In den großen Festsälen finden häufig Staatsempf­änge statt. Foto: Imago

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