Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Echte Herausforderungen
Im Herbst vor vier Jahren schallen „Bodo raus“- und „Ramelow geh heim“-rufe über den Domplatz. 4000 Menschen sind gekommen, weil sie – die Landtagswahl liegt schon Wochen zurück – die Bildung einer rot-rot-grünen Koalition noch verhindern wollen.
Doch der Protest ist vergebens. Am 5. Dezember 2014 wird Bodo Ramelow vom Landtag im zweiten Wahlgang mit 46 von 90 gültigen Stimmen zum ersten linken Ministerpräsidenten Deutschlands gewählt.
Aber Skepsis, Abneigung und Angst bleiben.
Dass die Sed-nachfolgepartei die Macht im Freistaat übernimmt, lässt in vielen Menschen böse Erinnerungen hochkommen. Andere machen sich Sorgen um die Zukunft. Kehrt in Thüringen der Sozialismus zurück? Wandern die Unternehmen ab? Wird das Land von Linken, SPD und Grünen in den Ruin getrieben? Und überhaupt: Ein Dreierbündnis – das hält doch nie. Schon gar nicht eine fünfjährige Legislaturperiode. Doch Pustekuchen. Bereits vier Jahre werkelt RotRot-grün vor sich hin. Die schlimmen Befürchtungen sind nicht eingetreten. Ramelow agiert wie ein linker Sozialdemokrat. Wenn seine Genossen nicht wären, müsste er sich wahrscheinlich um eine Wiederwahl kaum Gedanken machen.
Aber der Regierungschef macht sich darüber ohnehin keinen Kopf. Er lebt im Hier und Jetzt und freut sich zum Jubiläum über die erwartungsgemäß wohlwollende Würdigung seiner Fraktionschefin. Von Anfang an hätten der Ministerpräsident, die Koalition und die Minister „die Ärmel hochgekrempelt, um die zahlreichen Baustellen nach 25 Jahren Cduherrschaft anzugehen“, lobt Susanne Hennig-wellsow.
Mit einem Mal haben wir das Bild von „Bob der Baumeister“mit dem Gesicht Ramelows im Kopf und müssen schmunzeln.
Natürlich fallen Hennig-wellsow jede Menge tolle Sachen ein, die die Menschen im Land einzig R2G zu verdanken haben: die Einstellungen von Lehrern und Polizisten, das beitragsfreie Kita-jahr, das Azubi-ticket, der neue zusätzliche Feiertag ...
Klingt beinahe nach dem Paradies auf Erden. Wenn die böse Opposition nicht wäre. Dort hört es sich nach Hölle an. „Vier verlorene Jahre“, attestiert Cdufraktionschef Mike Mohring. „Rot-rot-grün kann es nicht!“, schimpft der Vorsteher der AFDAbgeordneten, Björn Höcke. Sie erinnern nur zu gerne an die gescheiterte Gebietsreform, den weiter hohen Stundenausfall, drohende Schulschließungen, das abgeschaffte Erziehungsgeld, die ins Stocken geratene Verwaltungsreform ...
Auch das ist richtig. Und so darf man die Bilanz zum jetzigen Zeitpunkt zwar nicht als miserabel, aber sehr wohl als durchwachsen bezeichnen.
Und wie geht es nach der Landtagswahl 2019 weiter? Das weiß momentan niemand. Sicher scheint nur, dass die Koalitionsbildung wegen unklarer Mehrheitsverhältnisse so schwierig werden wird wie selten. Ausgerechnet das dürfte allerdings die beiden große Kontrahenten Ramelow und Mohring beflügeln: Denn wenn die beiden ungleichen Alphatiere etwas gemeinsam haben, ist es das: Sie lieben echte Herausforderungen.
Tlz-landeskorrespondent Elmar Otto erreichen Sie unter (0361) 555 05 38 oder per E-mail unter e.otto@tlz.de