Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Als Patin aktiv
Daniela Luhn engagiert sich als Ansprechpartnerin für Familien, die in einer ähnlichen Situation sind
Daniela Luhn, End-zwanzigerin, studierende Dreifach-mutter, hat eigentlich kaum freie Zeit. Aber sie engagiert sich dennoch ehrenamtlich – und zwar im Patenprogramm des noch jungen Bundesverbandes zur Begleitung von Familien vorgeburtlich erkrankter Kinder (BFVEK).
Daniela Luhn findet die Pränatale Diagnostik gut, „aber hinterher fängt die Frauen niemand auf“, sagt sie mit Blick auf auffällige Diagnosen. Zwar gebe es Beratungsstellen: „Aber da müssen die Frauen erst mal hingehen“, sagt sie. Naheliegend sei, dass Frauen in einer solchen Situation googeln, um mehr zu erfahren. Sie hofft, dass so Betroffene auf den BFVEK stoßen. „Ich hätte das damals gut gebrauchen können“, sagt sie. Der BFVEK erklärt zu den Paten: Sie stehen Familien und Betroffenen für einen Austausch über das jeweilige Krankheitsbild, ihre Erfahrungen vor und nach der Geburt sowie ihre persönlichen Entscheidungswege zur Verfügung. „Paten sind kein medizinisches Personal und auch keine Ärzte, die eine medizinische Beratung und Diagnose durchführen. Es handelt sich um persönlich betroffene Familien, die ihre persönlichen Erfahrungen teilen, um anderen Betroffenen auf diese Weise zu helfen.“Der Verband empfiehlt daher, mit mehreren Paten zu sprechen, da die Krankheiten verschiedene Verläufe nehmen können. Durch diese Gespräche können sich die betroffenen Familien „ein möglichst breites und neutrales Bild verschaffen“. Aktuell hat der Verband Paten neben Spina Bifida für Diagnosen wie Amniobandsyndrom, Luto / Nierendysplasie / Nierenagenesie / Potter Syndrom, zystisch adenomatoide Malformation der Lunge (CCAM), Vacterl-assoziation, Aortenklappenstenose. Auch Eltern, deren Kind nach der Geburt verstorben ist, finden Gesprächspartner bei dem eingetragenen Verein.
Daniela Luhn selbst hat in der Zeit, in der sie die Diagnose für ihren ungeborenen Sohn erhalten hatte, Kontakt mit Ramona Täubert von Donum Vitae aus Erfurt aufgenommen. Ihr war es damals wichtig, sich aussprechen zu können. Täubert macht deutlich, dass sich ihre Schwangerenberatungsstelle auch für solche Hilfesuchende zuständig fühlt. „Zu uns können Menschen in der Schwangerschaft, aber auch nach der Schwangerschaft mit allen Themen kommen, die Familien betreffen“, sagt Täubert. Auch Kontakte zu der Stiftung „Hand in Hand“werden vermittelt, die finanziell helfen kann.
Täubert und Luhn haben noch immer Kontakt. Die junge Mutter sagt: „Ich schätze mich glücklich, in einem Land zu leben, in dem so viel Unterstützung möglich ist und wo auch medizinisch so viel getan wird.“Zugleich sieht sie allerdings auch, dass es viel Nichtwissen gibt. Wenn sie etwa von Arzthelferinnen für ihren Mut gelobt wird, ihren Sohn auszutragen, dann zeige das auch, wie wenig bekannt solche Fälle seien, weil die Diagnose „offener Rücken“fast immer zur Abtreibung führe. „Die Erkrankung ist so selten nicht. Aber wahrscheinlich wirkt sie so selten, weil so wenig Kinder damit auf die Welt kommen. Und warum kommen so wenig Kinder damit auf die Welt? Weil wir eine hohe Abtreibungsrate haben“, stellt sie fest. „Ich finde, es muss in jede Richtung beraten werden“, sagt Daniela Luhn. „Ich würde meinen Sohn als leichten Fall bezeichnen. Aber in der Schwangerschaft haben wir auch gehört, dass er es womöglich nicht einmal auf die Welt schaffen wird“, gibt sie zu bedenken – und spricht auch zum teilweise fehlenden Fachwissen der Ärzte. Ramona Täubert hat sich intensiv mit der Frage beschäftigt, warum in solchen Fällen häufig die Schwangerschaft beendet werde, ohne dass alle Möglichkeiten der Hilfe erörtert wurden. Womöglich werde Frauen von Anfang an signalisiert, es werde „einfacher ohne behindertes Kind“, sagt sie. „Aber die seelische Last wird nicht einfacher“, stellt die Beraterin von Donum Vitae fest.
Für Daniela Luhn war es wichtig, im Deutschen Zentrum für Fetalchirurgie und minimal-invasive Therapie (DZFT) in Gießen Hilfe zu erhalten. „Uns haben die Ärzte bis zum Schluss jede Option offengehalten. In Gießen wurden wir sehr gut beraten, aber an die Fachzentren muss man erst mal kommen“, sagt Daniela Luhn. Als ein Sorgenkind betrachtet sie ihren Sohn nicht. „Er ist ein munteres Kerlchen“, sagt sie.
Persönliche Erfahrungen werdenweitergegeben
Die seelische Last und die schwere Entscheidung