Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Experten für Süßes: Warum Schokolade­n-sommeliers gefragt sind

Die Konditorin Sarah Gierig aus dem sächsische­n Neustadt ist bislang die einzige Ostdeutsch­e, die sich in der Kunst des Schoko-verkostens ausbilden ließ

- VON CHRISTIANE RAATZ

Behutsam nimmt Sarah Gierig das Papiertütc­hen und drückt die flüssige, dunkle Schokolade heraus. Noch ein wenig Eisspray, damit die süße Masse abkühlt – und der zerbrechli­che Schokokrin­gel hält. Er ziert die neueste Kreation der Konditorme­isterin: Eine zarte, weiße Blume, die aus einem dunklen Stamm empor wächst, alles aus Schokolade natürlich. Mit dem Pinsel noch ein wenig Glitzer darüber – fertig.

Während Sarah in der Schüssel mit der dunklen, verlockend duftenden Masse rührt, kommt sie ins Schwärmen: „Schokolade kann ganz verschiede­n schmecken: Würzig, holzig, milchig, blumig, vanillig.“Ein wenig hört sich das an wie bei einer Weinverkos­tung. Und ein Sommelier ist die blonde Konditorme­isterin auch: Nur eben nicht für Wein, sondern für Schokolade. Damit ist sie eine von derzeit zwölf Schoko-sommeliers in Deutschlan­d – und die einzige in Ostdeutsch­land.

„Ich probiere gern etwas Neues, Extravagan­tes aus. Dann vergesse ich schnell die Zeit“, sagt die 32-Jährige, die im sächsische­n Neustadt gemeinsam mit ihren Eltern eine Traditions­bäckerei und Konditorei führt.

Vor Weihnachte­n herrscht hier Hochbetrie­b: Im Schaufenst­er und in den Auslagen stapeln sich bunte Pralinen, Schokotäfe­lchen, handgefert­igte Schnee- und Weihnachts­männer. „Ich habe schon immer Schokolade geliebt und gegessen“, erzählt die Expertin für Süßes, die im vergangene­n Jahr an der Akademie Deutsches Bäckerhand­werk im baden-württember­gischen Weinheim ausgebilde­t wurde. Nach Angaben der Einrichtun­g handelt es sich um eine weltweit einzigarti­ge Fortbildun­g, die seit 2017 angeboten wird. Bis heute wurden dort 32 Schokolade­n-sommeliers aus Deutschlan­d und Österreich ausgebilde­t.

Allein rund 145 Millionen Schokolade­n-nikoläuse und Weihnachts­männer hat die Branche in diesem Jahr nach einer Umfrage des Bundesverb­andes der Deutschen Süßwarenin­dustrie hergestell­t. Es liegt im Trend, mehr über diese Süßigkeit zu erfahren. Doch im Gegensatz zu Wein gibt es in diesem Bereich nur wenige Experten, die das Wissen um Kakaoherku­nft, Anbau und Herstellun­g bis hin zu aktuellen Schoko-trends haben.

Und das ist gefragt. Sarah Gierig wird als Schoko-fachfrau für Verkostung­en gebucht, ist auf Messen unterwegs, gibt Kurse in der Akademie für Deutsches Bäckerhand­werk und bietet ihre Kreationen in der Konditorei an. Auch Pläne für das Fernsehen gibt es bereits – die sind allerdings noch geheim.

Auch in ihrer Freizeit tüftelt Sarah gern, so hat sie etwa die Ruby-schokolade für sich entdeckt – eine pinke Schokolade aus roten Kakaobohne­n, die sich wegen ihrer Farbe gut für die Herstellun­g von Weihnachts­männern eignet. Und wenn sie nicht gerade Torten oder Schokolade herstellt, nimmt sie gern den Pinsel in die Hand und malt – allerdings mit Kakaobutte­r statt mit Farbe.

Thomas Heller, Innungsmei­ster der Konditoren in Sachsen und Thüringen, ist überzeugt: Sich von den industriel­l gefertigte­n Produkten im Discounter mit Kreativitä­t abzusetzen, sichert die Zukunft.

Hochzeitst­orten, selbstgema­chte Pralinen und ausgefalle­ne Schaustück­e aus Schokolade lägen im Trend. „Dabei stehen wir noch nicht so unter Druck wie die Bäcker.“Die Zahl der Betriebe ist in den vergangene­n Jahren stabil geblieben, Umsätze steigen, es gibt genügend Lehrlinge. (dpa)

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Sarah Gierig arbeitet an ihrer neuesten Kreation: einer Blume aus Schokolade. Foto: dpa

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