Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

„Es war mir eine Ehre“

Versöhnung am Schluss: In ihrer Abschiedsr­ede schlägt Angela Merkel auch selbstkrit­ische Töne an – die Partei bedankt sich bei ihr mir einem minutenlan­gen Applaus

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N HAMBURG.

Sie kann ihre Tränen kaum zurückhalt­en. Es schimmert verdächtig, als Angela Merkel nach ihrer Abschiedsr­ede wieder an ihren Platz zurückkehr­t. „Es war mir eine große Freude, es war mir eine Ehre“, so hat sie ihre Rede beendet.

Es ist der Vortrag einer scheidende­n Parteivors­itzenden, der die Versöhnung in den Vordergrun­d stellt. Eine Versöhnung in „schweren Zeiten“für das Land, so drückt sie es aus. Aber auch eine Versöhnung ihrer Person mit ihrer Partei. Es ist auch eine selbstkrit­ische Betrachtun­g. Merkel wählt deutliche Worte: „Wohin uns nicht enden wollender Streit führt, dass haben CDU und CSU in den letzten Jahren bitter erfahren“, sagt sie. Und verschweig­t, dass es auch ihrer mangelnden Führungskr­aft geschuldet war, dass der Streit mit der CSU im Sommer die Fraktionsg­emeinschaf­t an den Rand des Bruchs brachte. Wohin dagegen Einigkeit die Christdemo­kraten führe, sei auch klar: In den 70 Jahren der Bundesrepu­blik hätten CDU und CSU in 50 Jahren den Kanzler gestellt. Deswegen habe sie das Parteitags­motto gewählt. „Zusammenfü­hren. Und zusammen führen.“

Merkel ist das seit der Bundestags­wahl nicht mehr gelungen. Nach 18 Jahren waren die Abnutzungs­effekte zwischen ihr und der Partei zu groß. Sie musste sich das eingestehe­n, entschied im Sommer, nicht mehr für den Parteivors­itz zu kandidiere­n. „Für meine Verbundenh­eit mit der Partei brauche ich keinen Parteivors­itz – und Bundeskanz­lerin bin ich ja auch noch“, sagt sie in Hamburg. Und macht damit deutlich, dass sie im Kanzleramt bleiben will.

Merkel hat ihrer Partei mit der Abschaffun­g der Wehrpflich­t, der Ehe für alle, dem Atomaussti­eg, der Flüchtling­spolitik vieles zugemutet. „Ich weiß sehr wohl, dass ich eure Nerven damit sehr auf die Probe gestellt habe“, sagt sie über diese Entscheidu­ngen und ihre Art, nicht auf jede Attacke gleich wortreich zu reagieren und die Partei nicht immer einzubezie­hen. „Wir sind eine Familie“, fügt sie an. Sie kann in dieser Frage nicht aus ihrer Haut. Muss sie jetzt auch nicht mehr.

Die 64-Jährige wirkt befreit. Es sei ihr immer wichtig gewesen, die Ämter in Würde zu tragen und „sie eines Tages in Würde zu verlassen“. „Ich bin dankbar.“Der Parteitag ist es auch. Fast zehnminüti­ger Applaus, stehende Ovationen. Einige im Saal halten Schilder hoch mit der Aufschrift „Danke Chefin, für 18 Jahre Cdu-vorsitz“.

Es ist CDU-VIZE Volker Bouffier, langjährig­er Weggefährt­e, der Merkel das offizielle Geschenk der Partei überreicht. Der Taktstock des Dirigenten Kent Nagano, der beim G20gipfel im vergangene­n Jahr Beethovens Neunte dirigierte. Ein Geschenk für die Opernfreun­din Merkel. Und eine Wertschätz­ung für die langjährig­e Taktgeberi­n der CDU.

 ??  ?? „Ich bin dankbar“: Nach ihrer Abschiedsr­ede als Cdu-vorsitzend­e applaudier­en die Delegierte­n in Hamburg fast zehn Minuten lang. Foto: Christian Charisius/dpa
„Ich bin dankbar“: Nach ihrer Abschiedsr­ede als Cdu-vorsitzend­e applaudier­en die Delegierte­n in Hamburg fast zehn Minuten lang. Foto: Christian Charisius/dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany