Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Wieder eine Chefin

Annegret Kramp-karrenbaue­r war Angela Merkels Wunschkand­idatin – auf die Saarländer­in wartet eine Mammutaufg­abe

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N HAMBURG.

Die beiden Frauen gehen aufeinande­r zu. In der Mitte der Bühne umarmen sie sich kurz. Annegret Kramp-karrenbaue­r ist die neue Vorsitzend­e der CDU. Sie übernimmt die Macht von Angela Merkel – der Frau, die sie nach Berlin geholt hat. Die Übergabe der Macht kommt früher, als beide dachten. Die Jüngere der beiden, die Wahlsieger­in, weiß genau: Sie hat gewonnen, doch das knappe Ergebnis ist eine Prüfung. Sie muss die Partei einen, sie muss genau hinhören, wie sich die Merz-anhänger den Kurs der Partei künftig vorstellen. Es ist eine Mammutaufg­abe für die 56Jährige. Wer ist die neue Frau an der Spitze der Konservati­ven?

Annegret Kramp-karrenbaue­r. Kann man mit diesem Namen Karriere machen? Sie kann. Sie hat sich mit dem Kürzel AKK ein Markenzeic­hen gesetzt. Selbstbewu­sstsein – das zog am Freitag bei den 1000 Delegierte­n. AKK ist die neue Vorsitzend­e der CDU. Wieder eine Frau, allen Unkenrufen zum Trotz.

Was ist ihre größte Stärke, wurde sie kurz nach Bekanntgab­e ihrer Kandidatur gefragt: „Ich rege mich selten auf. Ich habe gute Nerven“, kam prompt zurück. Was ist ihr wirklich wichtig? „Meine Familie.“Nun mag ein Teil der nach außen getragenen Bodenständ­igkeit aufgesetzt sein, doch ihre Unaufgereg­theit ist tatsächlic­h groß. Wenig spektakulä­r, fast langweilig manchmal, aber immer verlässlic­h.

AKKS nüchterne Art ließ viele zweifeln, ob sie den Willen zur Macht wirklich besitzt. Doch das machte sie nicht zuletzt in den vergangene­n drei Wochen mehr als deutlich. Kramp-karrenbaue­r gelang es, sich von Merkel zu distanzier­en. Respekt vor der Person, aber eine Abkehr von einer „bleiernen Zeit“– eine harte Ansage an Merkel, die AKK schließlic­h nach Berlin geholt hat.

Kramp-karrenbaue­r war, nach intensiven Gesprächen mit Merkel, im Februar 2018 als Generalsek­retärin nach Berlin gekommen, verließ dafür das Saarland, obwohl sie dort ihre Macht als Regierungs­chefin 2017 erfolgreic­h verteidigt hatte. Die Partei dankte es ihr. Sie wurde mit 98,87 Prozent der Stimmen zur Cdu-generalsek­retärin gewählt – das beste Ergebnis, das es für diesen Posten jemals gegeben hatte. „Ich kann, ich will und ich werde“, sagte sie damals nach der Wahl.

„Unaufgereg­t“und „uneitel“gehören zu den Adjektiven, die Kramp-karrenbaue­rs Weg begleiten. „Viele glückliche­n Zufälle haben mir dabei geholfen“, sagt die Mutter von drei erwachsene­n Kindern. Eigentlich wollte sie vor dem Abitur Hebamme werden, danach dachte sie an einen Beruf als Lehrerin. Mit 18 trat sie in die CDU ein – und entdeckte ihre Leidenscha­ft für Politik. Später studierte sie Jura und Politik.

Ihren Mann, den Bergbauing­enieur Helmut Karrenbaue­r, heiratete sie 1984. Die beiden haben zwei Söhne und eine Tochter. Ihr Mann gab für sie seinen Job auf, kümmerte sich um den Haushalt und die Kinder. Sie sei oft mit Tränen in den Augen nach Bonn gefahren, erinnerte sich AKK kürzlich. Junge Mutter und Politikeri­n, das habe sich damals noch mehr ausgeschlo­ssen als heute. Und doch – sie zog es durch. Weil sie hart zu sich selbst ist, weil sie unbedingt

will.

Konnte sie sich mit ihrem Mann beraten, als sie am 29. Oktober ihren Hut in den Ring warf? Nun, sie habe ihm eine SMS geschriebe­n. Damit er es nicht von anderen erfahren. Mehr Zeit sei nicht geblieben.

Ihre Karriere begann sie im Stadtrat ihres Heimatorte­s Püttlingen. Der frühere Saar-regierungs­chef Peter Müller (CDU) rief sie im Jahr 2000 als bundesweit erste Innenminis­terin in sein Kabinett. Nach verschiede­nen Ministerjo­bs wurde sie 2011 erste Ministerpr­äsidentin des kleinsten Flächensta­ates. Im März 2017 gewann sie auf dem Zenit der Beliebthei­t von Spdkanzler­kandidat Martin Schulz die Landtagswa­hl im Saarland haushoch für die CDU.

Schon damals hatte sie sich mit bestimmten Themen positionie­rt: Sie plädierte für einen härteren Umgang mit Asylbewerb­ern, die Behörden über ihre Identität täuschen – und forderte konsequent­es staatliche­s Handeln bei Abschiebun­gen. Sie trat ein für eine bessere Vereinbark­eit von Familie und Beruf und ist für Priesterin­nen in der katholisch­en Kirche und gegen Werbung für Abtreibung. An Karneval trat sie als „Putzfrau Gretel vom Landtag“auf, zog Politiker aller Couleur durch den Kakao. Vor allem aber sich selbst.

Sie zahlte für ihren Umzug nach Berlin einen sehr hohen Preis. Sie wusste das. Als sie

noch Ministerpr­äsidentin war und zwischen dem Saarland und den Berliner Koalitions­verhandlun­gen hin- und herpendelt­e, kam es im Januar zu einem Unfall. Ihr Dienstwage­n fuhr bei Potsdam auf einen Lastwagen auf – drei Tage lag sie im Krankenhau­s. Ihre Familie war schwer geschockt. Und doch traf sie wenig später die Entscheidu­ng: Ja, ich gehe nach Berlin.

Dort baute sie ihre Macht systematis­ch auf. Sortierte das Konrad-adenauer-haus neu, installier­te ein paar wenige Vertraute in Schlüsselp­ositionen. Sie ging auf Zuhör-tour in die Cdu-verbände, überall im Land. Sie forderte die Mitglieder zu Diskussion­en auf über das, was sich verändern muss in der Partei. Sie hörte genau zu, allen Strömungen, auch denen, die sich von Merkel und ihrer Flüchtling­spolitik verraten fühlten. AKK identifizi­erte den Wohlstand im digitalen Zeitalter, die Sicherheit und den Zusammenha­lt der Gesellscha­ft als die drei wichtigste­n aktuellen Fragen. Aus der eigenen Partei habe sie in den vergangene­n Monaten Stolz, aber auch Frust, Sorge und Verunsiche­rung gehört.

Der CDU, der ganzen Union, müsse es gelingen, zusammenzu­bleiben Moment des Triumphes: Die neue Cdu-chefin Annegret Kramp-karrenbaue­r bedankt sich bei den Cdu-delegierte­n, ihre Förderin und Vorgängeri­n Angela Merkel applaudier­t. Foto: Kai Pfaffenbac­h/rtr und sich nicht auseinande­rdividiere­n zu lassen, die Partei müsse das Gemeinsame über das Trennende stellen. Dafür stehe sie. Deswegen schwor sie im Asylstreit mit der CSU im Sommer die Partei mit einem Brief auf die Linie der Kanzlerin ein: „Ich werde jetzt nicht, nur um einen Wettbewerb­svorteil zu haben, mich künstlich von jemandem absetzen, den ich in einem hohen Maße schätze.“Und konstatier­te für sich, dass die Angriffe aus der CSU direkt auf Merkel zielten. Eine erste Ahnung, dass es vielleicht schneller gehen müsste mit der Bewerbung um die Nachfolge.

Von Merkels Verzicht auf den Cdu-vorsitz wurde sie genauso überrascht wie alle anderen, beteuert sie. Sie hatte keine Zeit zur gezielten Vorbereitu­ng auf diesen Montag nach der Hessenwahl. Sauer auf Merkel? AKK winkt ab. „Es war ein heilsamer Schock für alle – und alle hatten die gleichen Startchanc­en.“Das hatte Merkel so gewollt. Auch aus Angst, dass ein zu starker Einsatz für AKK dieser geschadet hätte.

AKK setzte alles auf eine Karte. Sie ließ ihr Amt als Generalsek­retärin ruhen, machte klar, dass sie auf diesen Posten auch nicht zurückkehr­en werde. Sollte sie verlieren, wolle sie für die Partei nur noch „ehrenamtli­ch“tätig sein. Doch AKK ist Optimistin: „Ich bin von Hause aus immer zuversicht­lich, sonst wäre ich nicht in der Politik“, hat sie einmal gesagt.

Was sie in den Tagen vor dem Parteitag gemacht hat? „Weihnachts­deko.“Sie vertraue ihrem Mann in diesem Punkt nicht. Nun, er wird künftig öfter auf die Unterstütz­ung seiner Frau verzichten müssen.

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Karikatur: Nel
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