Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Jeder ist wertvoll

- VON CHRISTINE VOIGT

Im Jahr 1928 wurde die ursprüngli­che Idee einer Metallstat­ue im Stil der New Yorker Freiheitss­tatue verworfen, man entschied sich für eine Stahlbeton­konstrukti­on mit einem Belag aus Speckstein. An der Erstellung des nötigen Mosaiks aus Millionen von zentimeter­großen Steindreie­cken, das zunächst auf Stoff geklebt und dann auf die Skulptur aufgebrach­t wurde, arbeiteten hunderte freiwillig­er Frauen von Rio de Janeiro mehrere Jahre.

1931 wurde sie eingeweiht, die Statue „Cristo redentor“(Christus, der Erlöser) in Rio de Janeiro, die später zu einem der sieben Weltwunder gewählt wurde. Der Erlöser Christus steht aufrecht auf dem Berg Corcovado, die Arme segnend ausgebreit­et, den Blick nach vorn gewandt. Ihm nachzufolg­en, auf ihn zu warten und sich auf seine Ankunft vorzuberei­ten, das bedeutet Advent.

Das Bibelwort für die zweite Adventswoc­he gehört zu Jesu Rede über das Ende der Welt und seine „Wiederkunf­t“: Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. (Lukas 21, 28)

Schaut nach vorne, nach oben – schaut auf mich! Schon jetzt und heute! Jesus zeigt uns, wie wertvoll und geliebt jeder einzelne Mensch für und von Gott ist. Deshalb gibt es keinen Grund, sich für schlechter oder weniger wert zu achten als andere. Alle sind vor Gott gleich viel wert, nämlich unendlich wertvoll. Jesus bestärkt uns darin, hoch erhobenen Hauptes durchs Leben zu gehen und die Augen offen nach vorne zu richten in Gottes Zukunft mit uns.

Das hat nichts mit Rücksichts­losigkeit oder Überheblic­hkeit zu tun. Wir sind nicht besser als andere, aber eben auch nicht schlechter. Dieser nach vorn gerichtete Blick und der erhobene Kopf lässt uns die Welt mit offenen Augen sehen.

Wir sehen all das Gute und Schöne, das Gott uns schenkt. Aber wir haben auch einen Blick dafür, was in der Welt und in unserem Leben im Argen liegt. Wir erkennen, wenn es anderen nicht gut geht und können auf sie zugehen mit offenen Augen, Herzen und Händen und sie mit Gottes Augen sehen.

Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. Erlösung ist ein altes Wort. Was heißt es eigentlich? Befreiung, Entlastung, Entschärfu­ng, Entspannun­g, Erleichter­ung. Wem fällt dabei nicht so manches aus seinem Leben ein?

Wäre es nicht erlösend, befreiend, wenn Jesus genau diese Dinge auch gemeint hat, als er von der nahen Erlösung gesprochen hat?

Ja! Erlösung für alle Ewigkeit, aber auch Erlösung mitten in diesem Advent auf dem Weg zu Jesus, dem Erlöser, dessen Ankunft wir zu Weihnachte­n feiern.

Christine Voigt ist Pfarrerin in Bischofrod­a.

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