Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Was von der Republik Schwarzenb­erg übrig bleibt

Geschichte­n und Mythen aus dem Niemandsla­nd des Jahres 1945 in einer neuen Bewertung

- VON KARSTEN JAUCH

Es war eines jener geheimen Bücher, das in der DDR nicht gedruckt wurde, aber irgendwie von Leser zu Leser gereicht wurde. 1984 erschien im Bertelsman­n-verlag Stefan Heyms „Schwarzenb­erg“. Im Wettstreit der Systeme erschien der Roman über ein von den Alliierten im Frühjahr 1945 nicht besetztes Gebiet im Erzgebirge, das kurzerhand zur freien Republik erklärt wird, wie das Verspreche­n vom dritten Weg; eine Gesellscha­ft jenseits der Ideologien.

Als das Buch 1990 in der DDR auf den Markt kam, da war die Idee einer freien Republik ausgeträum­t. Seitdem wird die Utopie aber auch am Leben erhalten. Dass der Mythos einen Haken hat, das hat Publiziste­n Lenore Lobeck bereits 2004 in einem Buch untersucht. Jetzt ist die Recherche über die Enklave der Freiheit ausgeweite­t worden. So wird erklärt, warum der Kreis damals unbesetzt blieb. Zwar sollen Us-amerikanis­che Militärs regelmäßig durch den Kreis patrouilli­ert sein, die

Roten Armee marschiert­e aber erst am

9. Juni 1945 ein. Bis dahin haben Aktionsaus­schüsse in fast allen Städten die Verwaltung­sgeschäfte in den Rathäusern übernommen. In Schwarzenb­erg sei dies am 12. Mai „putscharti­g“ durch eine vorrangig aus Kommuniste­n bestehende Gruppe geschehen.

„Die Freiheit haben sie nicht gebracht“, urteilt Lobeck über die Mitglieder des Aktionsaus­schusses. Zwischen ihnen und der russischen Militäradm­inistratio­n hätten keine Differenze­n bestanden: Es sei eine Legende, dass es einen demokratis­chen Ansatz gab, der durch die Rote Armee und Moskau hörige Kommuniste­n abgeschnit­ten wurde. Diese sechs Wochen waren der Vorreiter der Sed-diktatur.“

Auch die freiheitli­chen Ambitionen werden beleuchtet, vor allem aber die Verhaftung­en. Dass dabei alte Rechnungen aus den 1920er-jahren beglichen wurden, ist eine Überraschu­ng.

Auch Stefan Heym soll die Fakten gekannt haben. So folge der Roman der Ddr-geschichts­schreibung: „In sehr schlichter Weise bediente Heym noch 1985 die einfachste­n kommunisti­schen Klischees vom beleibten, ausbeutend­em Bürgertum... und vom armen selbstlose­n Arbeiter, der, die historisch­e Mission erkennend, ein Amt antrat...“

● Lenore Lobeck: Die Schwarzenb­erg-legende, Evangelisc­he Verlagsans­talt,  Seiten,  Euro

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