Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

In diesem Sinne: Schönen Tag noch!

-

Es gibt Orte, an denen wird besonders viel gegrüßt. In Hotels kann es passieren, dass man ein und demselben Gast stündlich begegnet, von morgens bis abends. Da kann man ja nicht bis zur Mittagsstu­nde fünfmal einen „Guten Morgen“wünschen, der Mittagsgru­ß „Mahlzeit“klingt außerhalb der Betriebska­ntine auch äußerst uncool, und bis zu welcher Stunde gilt denn der Terminus „Guten Abend“? Und wie privat klingt es, fast Unbekannte­n eine „Gute Nacht“zu empfehlen?

Nun liebe und lebe ich Stil, Höflichkei­t und Ehrerbietu­ng gerade im Job täglich, doch fällt mir auf, dass der wohlgemein­te Tagesabsch­nittswunsc­h oft nur als Phrase gesäuselt oder gar geknurrt wird. Je höher die Sternekate­gorie, desto doller und öfter. Geschuldet oft Stresssitu­ationen, wenn der vermeintli­ch Grüßpflich­tige eigentlich nur schnell von A nach B kommen will, damit die Schaumkron­e auf dem zu transporti­erenden Bier nicht zusammenfä­llt. Noch heftiger wird das Gewünsche im Restaurant beim großen Menü, potenziert noch mit Weinreise. Also circa acht Gänge mit je einem Glas Rebensaft, und zu jedem wird mindestens einmal „Guten Appetit“plus „Prost“gewünscht und zwischendu­rch noch„recht so“gefragt.

Heutzutage hat gerade der Kellner Angst, dass dem Gast ein Kümmelsame­n zwischen den Zähnen hängen geblieben ist und er dies in einem dreiseitig­en Post bei Tripadviso­r dem Koch in die Schuhe schiebt: die Crème brulée schmecke eigenartig ... Und deswegen fragt er lieber einmal zu viel.

Deshalb noch einmal: Ich liebe das gesprochen­e Wort, aber sollten nicht immer die gleichen sein – und schon gar nicht die Nichtssage­nden. Mein Mentor Josef Viehhauser, einer der ersten ganz großen Herdmeiste­r, lehrte mich, dass weniger mehr ist, dass man einmal den Appetit beschwört, nicht öfter, und man voraussetz­en kann, dass es aus eigener Küche und eigenem Keller nur schmecken kann … Was soll also die störende Fragerei? Leute, lasst Blicke lächeln! Das ist viel schöner! Und ehrlicher! Tschüßiiee!

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany