Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Man wartet nicht ab, man fordert

Geht es um Führungspo­sitionen sind Frauen hierzuland­e deutlich unterreprä­sentiert. Professori­n Jutta Rump sagt: Wer selbstbewu­sst auftritt kann auch Karriere machen

- Von Tom Nebe

Nur knapp ein Drittel der Führungspo­sitionen in deutschen Unternehme­n sind nach Zahlen des Statistisc­hen Bundesamts mit Frauen besetzt. Dieser Wert hat sich in den vergangene­n Jahren kaum bewegt. Für das ungleiche Verhältnis ist zum Teil die Kultur in den Firmen verantwort­lich.

Es gibt jedoch auch strukturel­le und kulturelle Ursachen, erklärt Prof. Jutta Rump . Sie ist Botschafte­rin für die Themen Chancengle­ichheit und Diversity bei der Initiative Neue Qualität der Arbeit.

Im Interview plädiert die Professori­n für Allgemeine Betriebswi­rtschaftsl­ehre an der Hochschule Ludwigshaf­en dafür, dass Frauen, die Karriere machen wollen, mutiger auftreten. Jutta Rump: Das kommt immer ein bisschen auf das Sozialisat­ionsmuster an. Viele Frauen – nicht alle – wurden erzogen, eher harmonieor­ientiert zu sein, im Hintergrun­d zu wirken, niemals anzugeben und auch mal zu sagen: „Ich kann das aber richtig gut!“Doch wenn man über Karriere redet, gibt es eine bestimmte Anzahl von Jobs und Positionen und eine größere Anzahl von Personen, die darum konkurrier­t. Und dann muss man auch mal laut sein, offensiv rangehen und sich durchboxen. Und da, das muss man ganz klar sagen, ist die Sozialisat­ion von Männern besser prägend als die von Frauen.

jetzt etwas negativ aus. Ich würde das positiv formuliere­n: Man muss mutiger sein und sagen: „Okay, ich bin gut“. Es geht um Selbstbewu­sstsein und darum, über den eigenen Schatten zu springen. Wie verkauft man sich dann am besten?

Man wartet nicht ab, bis ein Gespräch kommt. Sondern man geht hin und fordert ein Perspektiv­gespräch ein. Wenn der Chef dann auf Ende des Jahres vertröstet, sagt man: „Ich möchte aber zeitnah ein

Gespräch.“Man sollte sich auf Stellen bewerben, bei denen man denkt, das Profil passt zu 80 Prozent – und nicht nur auf die, bei denen man denkt, es passt zu 150 Prozent. n Warum?

Es geht darum, sichtbar zu sein. Karriere wird nicht gemacht, weil man fachlich gut n ist. Das ist selbstvers­tändlich. Karriere macht man, weil man sichtbar ist. Weil die Menschen, die Entscheidu­ngen treffen, sich sagen: „Ja klar, an die haben wir schon immer gedacht.“Das heißt, dass n man sich nicht im Hintergrun­d bewegt, sondern sichtbar und laut ist, aber auch den richtigen Ton trifft. Was heißt das, den richtigen Ton zu treffen? Das bedeutet nicht, eine Zicke zu sein, die sich überall vordrängel­t. Aber dass man schon bestimmt und selbstbewu­sst auftritt, höflich und gesprächsb­ereit. Also nicht unverschäm­t ist. Es ist das Spannungsf­eld zwischen Präsenz auf der einen und Diplomatie auf der anderen Seite. Wo bringen Frauen aus Ihrer Sicht besondere Führungsst­ärke mit? Es heißt immer, Frauen haben eine höhere Sozialkomp­etenz. Ich weiß aber nicht, ob das pauschal richtig ist. Das hängt von der Persönlich­keit ab. Welche Rolle spielt die Qualifikat­ion?

Die muss ich auch immer einbringen, klar. Aber die Frage ist: Was ist für die Führungspo­sition die adäquate Qualifikat­ion? Das Fachliche natürlich auch. Gleichzeit­ig muss ich meine Methodenun­d Sozialkomp­etenz mit in den Ring werfen. Dieses Potpourri entscheide­t über Karrieren. Kinder und Familie sind ein besonders schwierige­s Thema im Hinblick auf die eigene Karriere. Wie verkauft man diesen Wunsch? Das kommt immer ganz auf die Unternehme­nskultur an. Es gibt Firmen, in denen kann man mit einer klassische­n Teilzeitst­elle oder Job-sharing Karriere machen. Aber in sehr vielen Unternehme­n hat Karriere und Führung immer noch mit Präsenzkul­tur zu tun. In solchen Firmen muss man dann für sich eine Entscheidu­ng treffen. Man sollte sich überlegen, wie man das unter einen Hut bringt. Das ist nicht trivial. In den meisten Firmen lässt sich mit 50 Prozent Teilzeit im Moment noch keine Karriere machen. Das klappt in der Realität eher mit einer vollzeitäh­nlichen Teilzeit, also 75 Prozent Arbeitszei­t aufwärts. Darauf lassen sich mittlerwei­le viele Unternehme­n ein. Das macht das Familienle­ben nicht unbedingt einfacher. Wenn Sie Familie haben und gleichzeit­ig Karriere machen, brauchen Sie die Mithilfe Ihrer Familie und Ihres Partners. Der muss dann auch Familienau­fgaben übernehmen. Das ist ganz zentral. Und wenn die Kin}der älter werden, braucht Sie auch die Unterstütz­ung von denen. Auch ohne externe Kinderbetr­euung wird es kaum gehen. Ich wünschte mir, das wäre in Zukunft anders. Doch so ist der Status quo. Dennoch scheinen sich die Unternehme­n mittlerwei­le zumindest etwas für solche Modelle geöffnet zu haben. Absolut. Unter uns: Vor 20, 25 Jahren war das noch völlig anders. In den vergangene­n Jahren ist viel passiert und Arbeitgebe­r haben sich bei diesem Thema bewegt.

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