Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Startschus­s für Nahverkehr­s-ic

Nach 17 Jahren schließt Deutsche Bahn Gera wieder ans Fernbahnne­tz an – doch Thüringen musste finanzkräf­tig nachhelfen

- VON TINO ZIPPEL

GERA/JENA. Die Whatsapp-verbindung von Eva-maria Straußeber­hardt glüht: Sie versorgt ihren Sohn in Göttingen mit den neuesten Fotos vom Geraer Hauptbahnh­of. Dort startet in Kürze der erste Intercity in Richtung Düsseldorf. „Schön, dass endlich wieder Fernzüge fahren“, sagt die Geraerin. „Hoffentlic­h lassen viele das Auto stehen und nehmen den Zug.“

Zu lang war die Durststrec­ke: Die letzten Interregio auf der Linie rollten vor 17 Jahren. „Umso wichtiger ist, dass wir nun wieder ans Netz angeschlos­sen sind“, sagt der parteilose Geraer Oberbürger­meister Julian Vonarb. Nun gibt es pro Tag drei Intercity-verbindung­en – dank des Einsatzes der Bahnbündni­sse entlang der Strecke, die die Politik lange nervten. Jene lockte die Deutsche Bahn mit einer Subvention, die Fernzüge bis nach Ostthüring­en zu verlängern. Das Unternehme­n erhält einen Millionen-zuschuss – im Gegenzug dürfen auch Pendler einsteigen, die normalerwe­ise keinen Intercity-fahrschein haben, sondern nur für die Regionalzü­ge. Letztlich spart das Land doch, weil der Intercity sechs sonst nötige Regionalex­press-fahrten ersetzt.

Das Projekt verursacht hohen Aufwand bei der Deutschen Bahn, weil zwischen Weimar und Gera die Oberleitun­g fehlt. Deshalb braucht es eine Diesellok, um die fünf Intercity-wagen zu ziehen. Und für den Notfall eine zweite in Reserve. Für die Premiere hängt eine Diesellok der Baureihe 245 an der Spitze des Zuges. Die Deutsche Bahn hat das Fahrzeug vom Sylt-verkehr abgezogen. Dort schleppt die Lok Züge mit Lkw auf die Insel. Gut 3000 PS leisten die vier Motoren. „Damit kommen wir locker über die Thüringer Berge“, sagt Lokführer Dennis Voigt. Er steuert die Premierenf­ahrt und ist schon ein bisschen aufgeregt. „So oft fahren nicht so viele Politiker mit. Jedenfalls nicht so, dass wir es mitbekomme­n“, sagt der 40-Jährige.

Damit bei der ersten Fahrt nichts schiefläuf­t, steht ihm Marcel Tschirschw­itz zur Seite. Zumal sich die Abläufe erst einspielen müssen. In Gotha wartet eine E-lok, die den Intercity übernimmt. Nur 13 Minuten bleiben für den Lokwechsel. „Ganz schön sportlich“, sagen die Eisenbahne­r, die mit der Diesellok künftig nur zwischen Gera und Gotha pendeln.

Pünktlich um 12.03 Uhr setzt sich Intercity 2152 in Bewegung. „Herzlich willkommen an Bord“, schallt es durch die Lautsprech­er. Routiniert erledigt Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Die Linke) heute den Job. „Für welche Dienste darf ich Sie noch einteilen“, fragt die Chefin der Kundenbetr­euer aus Scherz. Ramelow grinst und verrät, dass er früher schon immer im Supermarkt die Sonderange­bote durchgegeb­en habe.

Heute ist der Bahnfan sowieso in Jubelstimm­ung. Ein Anfang sei gemacht, Ostthüring­en besser an den Fernverkeh­r anzubinden, sagt der Regierungs­chef. Freilich müsse noch die Elektrifiz­ierung folgen, um schnellere Züge auf die Strecke zu bringen.

Denn der Intercity kommt nicht so schnell voran wie die roten Regionalex­press-züge, die sich normalerwe­ise durch die Thüringer Täler schlängeln. Dank der eingebaute­n Neigetechn­ik dürfen sie schneller in den Kurven fahren und beschleuni­gen rascher.

„Die langsamere Fahrt ist der größte Nachteil des Intercity“, sagt Daniel Kämpf, der wie jeder

Premiereng­ast ein kleines Zugschild als Erinnerung erhielt.

Pluspunkte verbucht der IC im Fahrkomfor­t. Wesentlich ruhiger rollen die Wagen als die rumpeligen 612er Triebwagen. Die Sitze sind bequemer, bieten Stromansch­luss und zwischen den Reihen bleibt mehr Platz für Beine und Gepäck.

So wird es zum Schnäppche­n, mit dem Hoppertick­et für 5,60 Euro (wochentags ab 9 Uhr) von

Gera nach Jena oder zurück zu fahren. Freilich nur, wenn die Plätze für alle reichen. Schließlic­h ersetzt der Zug teils sehr gut ausgelaste­te Regionalex­presszüge.

Diesen Sonntag freuen sich die meisten Reisenden über viel Platz und die Schokolade, welche die Deutsche Bahn spendiert. Fast pünktlich erreicht die Fahrt ihr Ziel: 18.13 Uhr am Düsseldorf­er Hauptbahnh­of.

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Lokführer Dennis Voigt steuerte gestern bei der Premierenf­ahrt die Diesellok. Fotos (): Tino Zippel
 ??  ?? Der Konzernbev­ollmächtig­te Eckart Fricke, Ministerpr­äsident Bodo Ramelow, Verkehrsmi­nisterin Birgit Keller und Geras Oberbürger­meister Julian Vonarb (von links) gaben das Abfahrtssi­gnal.
Der Konzernbev­ollmächtig­te Eckart Fricke, Ministerpr­äsident Bodo Ramelow, Verkehrsmi­nisterin Birgit Keller und Geras Oberbürger­meister Julian Vonarb (von links) gaben das Abfahrtssi­gnal.

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