Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

„Friedrich Merz muss uns helfen“

Vor allem die ostdeutsch­e CDU wünscht sich den unterlegen­en Kandidaten als Unterstütz­ung in Wahlkämpfe­n

- VON PHILIPP NEUMANN

BERLIN. Mindestens einen Parteifreu­nd hat Matthias Kerkhoff schon vom Austritt abhalten können. Andere stehen noch auf seiner Liste. Kerkhoff ist Vorsitzend­er des Cdu-kreisverba­nds Hochsauerl­and, der Heimat von Friedrich Merz. Hier ist die Enttäuschu­ng über dessen Niederlage beim Rennen um den Parteivors­itz besonders groß. Einige Cdu-mitglieder hätten telefonisc­h das Verlassen der Partei erklärt, berichtet Kerkhoff. „Natürlich sind Mitglieder enttäuscht, auch ich persönlich“, sagt er. Aber eine Austrittsw­elle, die gebe es nicht.

An Tag drei nach dem Parteitag ist die CDU nicht nur im Sauerland bemüht, den Riss wieder zu flicken, der bei der Wahl der neuen Spitze offenbar wurde. Immer lauter wird der Ruf, Merz möge trotz seiner gescheiter­ten Kandidatur weiter in der CDU eine tragende Rolle spielen. Vor allem in den ostdeutsch­en Landesverb­änden Sachsen, Thüringen und Brandenbur­g, wo im kommenden Jahr der Landtag neu gewählt wird und die AFD besonders stark ist, wünschen sich die Cdu-mitglieder Unterstütz­ung durch Friedrich Merz.

„Friedrich Merz muss uns helfen, darauf setze ich sehr“, wünscht sich etwa Mike Mohring, der in Thüringen im Oktober 2019 Spitzenkan­didat der CDU sein wird. Merz genieße „sehr viel Sympathie und Zustimmung vor Ort bei den Leuten an der Basis“. Auch Ministerpr­äsident Michael Kretschmer, der sich schon im September 2019 in Sachsen zur Wahl stellt, erwartet von dem Sauerlände­r Schützenhi­lfe für eine zweite Amtszeit: „Friedrich Merz wird eingeladen, selbstvers­tändlich. Ich freue mich, wenn er kommen würde und mit eingreift in den Wahlkampf.“

„Wir brauchen jeden Wahlkämpfe­r, und Friedrich Merz allen voran“, sagt auch Unionsfrak­tionsvizec­hef Carsten Linnemann im Deutschlan­dfunk und nennt Merz ein „Zugpferd“. Er hoffe, dass er der Partei erhalten bleibe. Er selbst werde noch mit ihm reden und ihm das nahelegen, so Linnemann. Der baden-württember­gische Landesvors­itzende der Jungen Union, Philipp Bürkle, forderte sogar Merz’ Berufung als Minister ins Bundeskabi­nett: „Wenn Friedrich Merz bei einer Kabinettsu­mbildung berücksich­tig würde, wäre das ein sehr gutes Signal“, sagte Bürkle der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“.

Abgesehen davon, dass Merkel es sich dreimal überlegen dürfte, ob sie im Kabinett mit Merz zusammenar­beiten will, wäre der einzige Posten, der für ihn infrage käme und der von der CDU besetzt werden könnte, der des Wirtschaft­sministers. Den Job aber macht Merkels Vertrauter Peter Altmaier, und dass sie ihn für Merz opfert, gilt als unwahrsche­inlich. Doch wohin dann mit Merz? Im Bundestag sitzt er seit 2009 nicht mehr, weshalb er auch in der Fraktion keine Rolle spielen kann.

Theoretisc­h könnte Merz Vorsitzend­er der Mittelstan­dsvereinig­ung (MIT) der CDU werden, das Amt ist an kein Mandat gebunden. Die Unterstütz­ung wäre Merz sicher: Die MIT hatte sich ausdrückli­ch ihn als Cdu-vorsitzend­en gewünscht. Der aktuelle Chef müsste nur zurücktret­en – es ist genau der Carsten Linnemann, der dem „lieben Friedrich“auf - dem Parteitag zugerufen hatte: „Bleib bitte bei uns, wir brauchen dich!“Würde Linnemann das tun, hätte Merz das Problem, das Linnemanns Vorgänger, Josef Schlarmann, hatte: Ohne Abgeordnet­enmandat fehlte ihm der Einfluss, eigene Forderunge­n durchsetze­n zu können. Schlarmann kämpfte einst auf verlorenem Posten.

Noch ist nicht erkennbar, ob der gescheiter­te Kandidat überhaupt Interesse an einem Amt und einer dauerhafte­n Rolle in der Bundespoli­tik hat. Merz schweigt. Vom Parteitag hatte er sich mit den Worten verabschie­det: „Ich bin gerne bereit, auch in den nächsten Jahren dort, wo es gewünscht wird, die Partei zu unterstütz­en und ihr zu helfen.“Was das heißt, ließ er offen. Die Chance, in das Cdu-präsidium gewählt zu werden, ließ Merz jedenfalls ungenutzt verstreich­en. Er hätte nur mit dem Finger zucken müssen und wäre gewählt worden. Seine lukrativen Aufsichtsr­atsposten hätte er aber wohl aufgeben müssen.

Vor diesem Hintergrun­d bleibt es spannend, was die neue Cdu-vorsitzend­e Annegret Kramp-karrenbaue­r ihrem ehemaligen Konkurrent­en anbieten wird. Beide wollen sich in diesen Tagen zum Gespräch treffen. Auch Kramp-karrenbaue­r will Merz einbinden, das kündigte sie bereits an.

Anders als viele Parteimitg­lieder sind die Bundesbürg­er insgesamt offenbar nicht so enttäuscht über den Wechsel an der Cdu-spitze. Im Gegenteil: Im Trendbarom­eter der Sender RTL und n-tv legen CDU/CSU um drei Punkte auf 32 Prozent zu. Vor dem Parteitag waren es noch 29 Prozent. 46 Prozent der Befragten fanden die Wahl Kramp-karrenbaue­rs „eine gute Lösung“. Unter Cdu-anhängern sind es 62 Prozent.

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Friedrich MerzFoto: Christoph Soeder

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