Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Empfehlung soll Streit ums Kita-essengeld beenden
Eltern, Träger und Kommunen verständigen sich am Runden Tisch über Auslegung des Gesetzes
ERFURT. Um den Streit über die Verpflegungskosten in Thüringer Kindergärten und die Beteiligungsrechte der Eltern beizulegen, haben jetzt Bildungsministerium, Eltern und Träger eine gemeinsame Empfehlung vorgelegt: Darin heißt es, dass sowohl vor dem 1. Januar bestehende als auch danach eingeführte Regelungen fortgeführt werden können, sofern Einigkeit besteht. Sollte darüber aber in den Kommunen keine einvernehmliche Praxis hergestellt werden, dann wird empfohlen, die Kosten für die Lebensmittel, das Personal, das die Mahlzeiten vor- und zubereitet, sowie die Entsorgung der Speiseabfälle den Verpflegungskosten zuzuordnen.
Allerdings sollen die Gemeinden für Kitas in kommunaler Trägerschaft selbst entscheiden, in welcher Höhe diese Kosten in die Verpflegungsentgelte einfließen. Alle Kosten, die nicht durch die Entgelte gedeckt sind, tragen die Gemeinden, heißt es in der Vereinbarung des Runden Tisches, den das Thüringer Bildungsministerium, der Gemeindeund Städtebund, die Landeselternvertretung der Kindertagesstätten und die Liga der Freien Wohlfahrtspflege wegen der Unstimmigkeiten rund um die Verpflegungsentgelte in Thüringer Kindergärten eingerichtet hatten. Mehrere Kommunen und freie Träger hatten das neue Kita-gesetz, das am 1. Januar 2018 in Kraft getreten war, zum Anlass für Anhebungen der Verpflegungsentgelte genommen und dabei teils auch die durch das Gesetz gestärkten Mitspracherechte der Eltern übergangen. Beides hatte für Unruhe und Proteste gesorgt.
Die Vereinbarung stellt zudem klar, dass die Zustimmung des Elternbeirates bei einer Änderung der Auswahl der Verpflegung und des Umfangs der Verpflegung erforderlich ist.
ERFURT. Im Thüringer Bildungsministerium und in der Landeselternvertretung verstand man im Frühjahr die Welt nicht mehr: Anstatt Eltern die Entlastung um durchschnittlich 1440 Euro pro Jahr zuzugestehen, die mit der Einführung des beitragsfreien Kita-jahres einherging, wollten sich einige kommunale und freie Träger jetzt offenbar an den Eltern schadlos halten: Sie stellten ihnen deutlich höhere Verpflegungskosten als bisher in Rechnung. Die Awo AJS in Erfurt etwa wollte die Eltern fortan an den Anschaffungskosten für industrielle Küchengeräte, an Hygieneprüfungen, Strom, Wasser und Gas beteiligen. Pro Monat hätten die Eltern knapp 20 Euro mehr berappen müssen.
Doch auch wenn dies vielleicht der heftigste Fall plötzlich erwachter Gier war: Er war längst nicht der einzige. Und nicht der einzige, bei dem Träger das neue Kita-gesetz zu ihren Gunsten auslegten. Schließlich, so sagten sie, verpflichte sie das neue Gesetz dazu, die Verpflegungskosten gesondert zu berechnen. Das Ministerium wies das zurück: Richtig sei zwar, dass der Gesetzestext neu formuliert worden sei. Aber das nur aus dem Grund, um klarzustellen, dass es nicht Aufgabe der Erzieher sei, das Essen zuzubereiten und den Abwasch zu machen. Das Gesetz verpflichte die Betreiber keineswegs, alle im Zusammenhang mit der Verpflegung entstehenden Kosten umzulegen. Doch auch über die durch das Gesetz gestärkten Mitwirkungsrechte der Eltern gab es Unstimmigkeiten. Im Ergebnis kochten die Wogen so hoch, dass Bildungsminister Helmut Holter (Linke) schließlich einen Runden Tisch von Ministerium, Landeselternvertretern und Trägern einberief. Lange hat das Gremium beraten, lange haben die Abstimmungen untereinander gedauert. Doch nun liegt das von allen Beteiligten unterzeichnete Papier vor.
Klarheit verschafft es im Punkt der Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte: Demnach muss der Elternbeirat zustimmen, wenn zum Beispiel der Essensanbieter gewechselt werden soll oder die Umstellung von Teil- auf Vollverpflegung erfolgt. Nicht erforderlich sei die Zustimmung hingegen, wenn Kosten sich beispielsweise durch Tarifsteigerungen für das Personal erhöhen.
Was die Verpflegungskosten selbst betrifft, ist der Vereinbarung deutlich das harte Ringen um einen Kompromiss anzumerken: Dort, wo es zwischen allen Beteiligten keinen Streit in Bezug auf die getroffenen Regelungen gebe, könnten diese weiter gelten, heißt es. In Konfliktfällen wird indes empfohlen, der in der Vereinbarung vorgeschlagenen Vorgehensweise zu folgen. Stephen Krumrey vom Gemeindeund Städtebund Thüringen scheint Zweifel zu haben, ob das ausreicht, um alle Unstimmigkeiten auszuräumen. Er wünscht sich noch eine „flankierende gesetzliche Klarstellung, die die Ergebnisse des Runden Tisches untermauert“. Eine solche kann es in Form einer Verordnung folgen, wenn sich herausstellt, dass es noch Konfliktpotenzial gibt, teilt das Ministerium mit. Hans-otto Schwiefert, Geschäftsführer der Liga der Freien Wohlfahrtspflege, lobt die „Klarheit und Transparenz“des Ergebnisses, das aus seiner Sicht gelungen ist – und Kitalandeselternsprecherin Ulrike Grosse-röthig sieht darin einen „klaren und praxistauglichen Leitfaden“. Auch Minister Holter ist davon überzeugt, dass es gelungen ist, „Missverständnisse bei der Auslegung des neuen Kita-gesetzes auszuräumen“. Ob das wirklich so ist, das muss die Praxis nun zeigen.