Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Schwund am rechten Rand

Der Ex-Chef der sachsen-anhaltisch­en AfD, André Poggenburg, verlässt die Partei und gründet eine neue – den „Aufbruch deutscher Patrioten“

- VON THERESA MARTUS UND ALEXANDER KOHNEN

BERLIN/RIESA. Kämpfe um Listenplät­ze, Debatten, ob die Partei den EU-Austritt will – eigentlich schienen die Themen für den AfD-Parteitag am Wochenende klar. Im sächsische­n Riesa will sich die Partei auf die Europawahl vorbereite­n, als Auftakt zu einem Wahljahr, von dem sie sich Großes verspricht. Doch das Gesprächst­hema auf den Gängen war am Freitag ein anderes: André Poggenburg, ehemaliger Chef der AfD in Sachsen-Anhalt, verlässt nicht nur die AfD, sondern gründet eine neue Partei. Mit dem „Aufbruch deutscher Patrioten“(AdP) wollen er und seine Mitstreite­r bei den Landtagswa­hlen im Herbst in Sachsen, Brandenbur­g und Thüringen antreten.

Es ist in der kurzen Geschichte der Partei bereits das dritte Mal, dass ein prominente­s Gesicht die AfD verlässt, um eine eigene Partei zu gründen. Neu ist dieses Mal die Richtung, in die Poggenburg die Partei verlässt: noch weiter nach rechts. Im Gespräch mit der „Welt“attestiert­e er der AfD einen „Linksruck“. Durch „Gängelunge­n durch den Westen“würde die AfD im Osten nicht mehr als „wirklich patriotisc­he Alternativ­e wahrgenomm­en“.

Es könnte zur Zersplitte­rung kommen

Gemeint sind die Bemühungen der Partei, eine drohende Beobachtun­g durch den Verfassung­sschutz zu vermeiden. Dazu hatte die AfD nicht nur „Handreichu­ngen“erarbeitet, wie verfassung­swidrige Äußerungen zu vermeiden sind, sondern auch versucht, Mitglieder loszuwerde­n, die sich dafür offenbar nicht interessie­ren. Das hatte auch Poggenburg zu spüren bekommen: Nachdem er am Neujahrsta­g „den Mitbürgern unserer Volksgemei­nschaft“auf Twitter ein gesundes neues Jahr gewünscht hatte, hatte der Bundesvors­tand eine zweijährig­e Ämtersperr­e gegen den 43-Jährigen beschlosse­n. Der Streit um die NS-Vokabel war das Ende einer Entfremdun­g zwischen ihm und der Parteispit­ze.

Poggenburg war lange ein prominente­s Gesicht am äußersten rechten Rand der Partei gewesen: 2015 gehörte er mit dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke zu den Initiatore­n der „Erfurter Resolution“und den Mitbegründ­ern des „Flügels“, einer als völkisch eingestuft­en Gruppierun­g in der Partei. Im selben Jahr wurde er in den Bundesvors­tand der Partei gewählt, 2016 zog die AfD in Sachsen-Anhalt unter ihm mit 24,3 Prozent in den Magdeburge­r Landtag ein. Poggenburg wurde Chef der neuen Fraktion. Doch beim Parteitag in Hannover 2017 scheiterte eine erneute Kandidatur für den Parteivors­tand. Kurz darauf diffamiert­e er die Türkische Gemeinde in einer Aschermitt­wochsrede als „Kümmelhänd­ler“und „Kameltreib­er“. Im März 2018 legte er unter internem Druck seine Ämter als Fraktions- und Landeschef nieder.

Schon Parteigrün­der Bernd Lucke war 2015 gegangen, nachdem er den Parteivors­itz an Frauke Petry verloren hatte. Petry verließ die AfD nach der Bundestags­wahl, die Partei hatte sich zuvor deutlich gegen ihren Kurs gestellt. Poggenburg ist überzeugt, dass seine neue Partei bei den Landtagswa­hlen in Sachsen, Brandenbur­g und Thüringen reelle Chancen hat. „Dass wir die Fünfprozen­thürde im Osten schaffen, davon gehen wir aus“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Auch Manfred Güllner, Chef des Meinungsfo­rschungsin­stituts Forsa, hält das für durchaus möglich. „Die Abgänge von Bernd Lucke oder Frauke Petry haben der AfD nicht geschadet, weil die so getan hat, als ob sie jetzt in der politische­n Mitte stände“, sagte Güllner unserer Redaktion. „Aber Poggenburg gehört ja zur extremen Rechten in der AfD und könnte viele Wähler mitnehmen.“Zudem sei er im Osten populär. Es könnte deswegen zu einer Zersplitte­rung der Partei kommen. „Es kann durchaus sein, dass mit dem Weggang von Poggenburg langfristi­g das Ende der AfD eingeläute­t wird.“

In der Spitze der AfD gibt man sich unbesorgt: Poggenburg habe „keinerlei Resonanz in der Partei“, sagte Parteichef Alexander Gauland. Er hoffe und glaube nicht, dass ihm jemand aus der Bundestags­fraktion folgen werde. Auch Andreas Kalbitz, Chef der AfD in Brandenbur­g, sagte, für Brandenbur­g werde Poggenburg­s Projekt „keinerlei politische Relevanz haben“.

Doch nicht alle sind davon überzeugt: In Riesa beobachtet man die Neugründun­g aufmerksam. Stimmen für Poggenburg und seine Mitstreite­r könnten in Sachsen „die entscheide­nden Stimmen sein, die dafür sorgen, dass wir nicht stärkste Kraft werden“, sagte Jens Maier, Bundestags­abgeordnet­er aus Dresden. Parteichef Jörg Meuthen sagte, er freue sich auf den Abend des 1. September, wo man den „grandiosen Wahlsieg“der AfD in Brandenbur­g und Sachsen feiern werde. Möglich, dass Poggenburg seinem ehemaligen Parteifreu­nd das noch verleidet.

 ?? FOTO: IMAGO STOCK ?? Einst Seit an Seit: Björn Höcke, Chef der AfD Thüringen, André Poggenburg, damals Spitzenkan­didat der AfD Sachsen-Anhalt, AfD-Parteichef Alexander Gauland sowie Wiebke Muhsal, stellvertr­etende Fraktionvo­rsitzende der AfD in Thüringen (von links) im Jahr  beim Wahlkampf in Sachsen-Anhalt .
FOTO: IMAGO STOCK Einst Seit an Seit: Björn Höcke, Chef der AfD Thüringen, André Poggenburg, damals Spitzenkan­didat der AfD Sachsen-Anhalt, AfD-Parteichef Alexander Gauland sowie Wiebke Muhsal, stellvertr­etende Fraktionvo­rsitzende der AfD in Thüringen (von links) im Jahr  beim Wahlkampf in Sachsen-Anhalt .

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