Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Tante-Emma-Laden schließt nach 27 Jahren
Senioren und Schüler werden das kleine Geschäft in der Eisenacher Georgenstraße vermissen
EISENACH. Die Regale sind halb leergeräumt. Das Sortiment im Lebensmittelladen Gutsell in der Georgenstraße 35 wird ersatzlos verkauft, denn ab 1. Februar ist hier Schluss – nach fast 30 Jahren. Für zwei Drittel dieser Zeit gehörten die Verkäuferinnen Simone Koch und Petra Rother zum Laden. Die beiden bedauern ebenso wie ihre vornehmlich älteren Stammkunden die Schließung.
„Es ist wirklich schade, dass der kleine Laden zumacht. Das war doch immer meine Rettung, wenn ich mal etwas vergessen hatte oder schnell brauchte“, klagt eine Seniorin, die gerade eine Packung Kondensmilch bezahlt. Der Laden um die Ecke bot zudem Abwechslung und Kommunikation: im Sortiment stöbern, Zeitschriften durchblättern, Dinge für den täglichen Gebrauch besorgen und ein kleines Schwätzchen mit den Verkäuferinnenabhalten–daswird dieser Kundin und anderen Bewohnern der nahegelegenen Seniorenheime Elisabethhof und Annen-Stift besonders fehlen.
Das Geschäft hatte sich auf seine betagte Kundschaft eingestellt, die Regale so angeordnet, dass der Gang auch mit Rollator zu befahren war, das Sortiment auf die Bedürfnisse der alten Leute abgestimmt. Die Verkäuferinnen hatten ein offenes Ohr für Wünsche der Senioren, oft auch deren Sorgen. Mit etwas über 100 Quadratmetern Verkaufsfläche ist der Laden klein, aber fein, was Sortiment und Service betrifft.
Zur Stammkundschaft zählten aber auch Generationen von Schulkindern, die sich bei Gutsell mal eben fix Süßigkeiten, Eis und Getränke holten. Ab Februar ist damit Feierabend, denn wirtschaftlich war das Geschäft schon länger nicht mehr, sagt Inhaber Andreas Gutsell. Sein Restaurant „Augustiner Bräu“sei die Ertragsquelle, die in den letzten Jahren auch die Existenz des Lebensmittel-Ladens gesichert habe. Außerdem leitet Gutsell derzeit, wenn auch nur kommissarisch, das Restaurant „Am Storchenturm“.
Selbst wenn ihn die Gastronomie auslastet – ein Grund zur Ladenschließung wäre das noch nicht gewesen. Letztlich zwangen ihn die immer geringeren Umsätze dazu: „Auf Dauer Defizite mit den rentablen Restaurants ausgleichen – das ist einfach nicht mehr praktikabel.“ Kann es sein, dass da Wehmut mitschwingt bei Gutsell?
Mit dem Tante-Emma-Laden hatte er einst den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. „Als wir im August 1992 das Geschäft eröffneten, gab es lange Schlangen. So, wie wir die Ware hinten eingeräumt hatten, wurde sie vorne verkauft“, erinnert sich der Geschäftsmann mit einem Lächeln. „Alle, die den Laden fußläufig erreichen konnten, haben hier eingekauft“, bestätigt auch seine Verkäuferin Simone Koch. Doch mit Eröffnung der Discounter und großen Märkte in der Nähe schwanden die Käufer, Laufkundschaft gibt es in der fast menschenleeren Georgenstraße kaum noch, viele verwaiste Ladenflächen warten auf Mieter. So nun auch bald das Lädchen in der 35.
„Ich werde die Einrichtung nicht abbauen. Wer weiß, vielleicht interessiert sich jemand dafür und versucht es mit einem anderen Konzept.“In der zentralen Lage könnte zum Beispiel ein Spätverkauf eine Chance haben. Mit der Entstehung eines Bed & Breakfast-Hotels direkt neben dem „Augustiner Bräu“könnte die Georgenstraße möglicherweise wieder zu ihrer lebhaft-geschäftigen Vergangenheit aufschließen.