Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Blaue Partei will in Thüringer Landtag
Petry: zweistelliges Ergebnis möglich – Umfrage im Sommer: In Sachsen Potenzial von neun Prozent
Die von der ehemaligen Afd-chefin Frauke Petry gegründete Blaue Partei peilt in diesem Jahr den Einzug in zwei ostdeutsche Landtage an. Für Sachsen hatte das Meinungsforschungsinstitut Insa im vergangenen Sommer ein mögliches Wählerpotenzial von neun Prozent ermittelt. „Angesichts dieser Prognose halte ich auch zehn Prozent plus für möglich. Und wenn wir in Sachsen in dem Bereich landen, ist auch in Thüringen ein zweistelliges Ergebnis drin“, sagte Blauen-vorsitzende Petry dieser Zeitung. Voraussetzung sei es allerdings, dass die Partei bis dahin ihren Bekanntheitsgrad steigere.
Etwa 40 Mitglieder der Blauen verabschiedeten am Samstag beim Bundesparteitag in Eisenach ein Europawahlprogramm und eine Kandidatenlisten. Sie wird angeführt vom Eu-parlamentarier, einstigen Chef der nordrhein-westfälischen Afdlandtagsfraktion und Petryehemann, Marcus Pretzell.
Die Blaue Partei hat nach eigenen Angaben bundesweit 154 Mitglieder, in Thüringen 20, die politische Vorfeldorganisation Blaue Wende „deutlich über 5000 Mitglieder“.
Der große Saal im ersten Stock des Eisenacher Landhotels ist für bis zu 120 Personen ausgelegt. Gekommen sind an diesem kalten und verregneten Samstag gut 40. Sie haben auf Stühlen aus Metallrohr Platz genommen, dessen Farbe an Senf erinnert, Sitz und Rücken sind samtig-rot bezogen, an den Lehnen hängen Papiertüten mit einem auffälligen B, auf den Tischen stehen Getränke. Das Eichenparkett knarzt.
In dem Gebäudekomplex wurden in den späten 30ern des vorigen Jahrhunderts Flugzeugschlosser ausgebildet. Jetzt steht im Tagungsraum „Wartburg“Frauke Petry an einem Pult und propagiert das „einzig bürgerlich-konservative Angebot in unserem Land“. Die 43-Jährige, einst Chefin der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland, hat der AFD frustriert den Rücken gekehrt und im September 2017 die Blaue Partei gegründet, deren Vorsitzende sie nun ist. Hier versammeln sich Afd-aussteiger ebenso wie ehemalige Christdemokraten oder Politikneulinge.
Zum Bundesparteitag nach Thüringen sind 42 Mitglieder aus ganz Deutschland angereist, um über Thüringen zu diskutieren. Arbeiter, Angestellte, Abgeordnete. Die Blauen sind eine bunt zusammengewürfelte Truppe. Insgesamt haben sie republikweit keine 154 Mitglieder, das angeschlossene Bürgerforum „Blaue Wende“dafür aber mehr als 5000, sagt Petry. Es gehe darum, dass die Menschen sich einbringen könnten, nur ein kleiner Teil werde naturgemäß in der Partei gebunden sein.
„Ich habe inhaltlich im Grunde nichts geändert“, sagt Petry. Die AFD dagegen sei sozial- und wirtschaftspolitisch zunehmend links, gesellschaftspolitisch aber rechts und spalte das bürgerliche Lager. „Wir dagegen sind das konservative-liberale Bindeglied zwischen CDU und FDP“, meint sie. Den Thüringer Afdfraktionsund Landeschef Björn Höcke hält sie für einen Rechtsextremisten, der „Npdsprech“benutze und eine „nationale Diktatur“anstrebe. „Wenn’s der gute Diktator richtet, dann ist es ihm ganz Recht und natürlich hält er sich für denjenigen welchen“, sagt die Blauen-chefin. Die Frau, die früher selbst polarisierte, in einer Partei zu Hause war, die gegen Migranten und die EU polemisiert, ist zahmer geworden.
Als Regionalbeauftragter im Freistaat steht Petry Jens Krautwurst zur Seite. Momentan gibt es hier nur 20 blaue Parteibücher. Im März solle aber ein Landesverband gegründet werden, kündigt Krautwurst an, der mal als Schatzmeister der Landescdu wirkte. Von einer Umfrage beflügelt, rechnen sich die Blauen für die Landtagswahlen im Herbst in Sachsen und Thüringen Chancen aus, der AFD Wähler abspenstig zu machen. Das Gleiche gilt für die Europawahl im Frühjahr. Petrys Ehemann, Marcus Pretzell, der schon im Eu-parlament sitzt und 2017 die Afd-fraktion in Nordrheinwestfalen anführte, wird wenig überraschend auf Platz eins der sechsköpfigen Europaliste gewählt. Jacqueline Staat aus Sondershausen landet auf Rang drei. Im dreiseitigen Wahlprogramm geht es unter anderem, um eine Parallelwährung zum Euro und die Besetzung des Eu-parlaments mit Vertretern der nationalen Parlamente. Damit würde eine Wahl künftig überflüssig.
Ist das nicht ein Widerspruch? Für etwas anzutreten, das man eigentlich in dieser Form ablehnt?
„Nein“, sagt Petry. „Wir wollen Veränderungen auf demokratischem Weg, und das geht nur mit und in den Institutionen.“