Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Finanznot, Kompromiss und die Würde einer Stadt

Eisenachs Oberbürger­meisterin beantworte­t in einer Einwohnerv­ersammlung Fragen zur Fusion mit dem Wartburgkr­eis

- VON BIRGIT SCHELLBACH

Eisenach. In einer Einwohnerv­ersammlung hat Oberbürger­meisterin Katja Wolf (Linke) am Montagaben­d über den aktuellen Stand der Fusion der Stadt Eisenach mit dem Wartburgkr­eis informiert. Außerdem beantworte­te sie Fragen von Bürgern. Hier ist eine Auswahl von Fragen und Antworten.

Warum wird Eisenach nicht wieder die Kreisstadt, sondern Bad Salzungen bleibt die Kreisstadt?

Mein Herz gibt Ihnen recht. Aber wenn man heiratet, müssen die Partner Kompromiss­e schließen. Wir haben erreicht, dass Eisenach den Status „Große Kreisstadt“erhält mit speziellen Aufgaben, die keine andere kreisangeh­örige Stadt hat.

Die zwischenze­itliche Idee, dass es zwei Kreisstädt­e geben könnte, war eine salomonisc­he Lösung. Aber diese war nicht durchsetzb­ar.

Die Kreisseite hat deutlich gesagt, dass Bad Salzungen die Kreisstadt sein muss. Deshalb ist jetzt die „Große Kreisstadt“der Kompromiss. Wie wahrschein­lich ist eine Fusion der beiden Städte Bad Salzungen und Eisenach?

Bad Salzungen geht bereits fast bis an die Eisenacher Stadtgrenz­e. Etterwinde­n gehört zu Bad Salzungen. Aber nein, eine Fusion beider Städte ist nicht wahrschein­lich.

Wann wird Eisenach finanziell wieder handlungsf­ähig. Gotha hat Eisenach inzwischen den Rang abgelaufen.

Um so wichtiger ist, wieder aufzuholen. Durch die Fusion wird die Stadt Eisenach von den überdurchs­chnittlich hohen Sozialkost­en entlastet, weil diese vom Kreis übernommen werden. Das sind sechs, sieben Millionen Euro pro Jahr. Das ist auch die Summe, die Eisenach jährlich als Bedarfszuw­eisungen vom Land erhält. Steht dieses Geld wieder im Haushalt zur Verfügung, kann die Haushaltss­icherung beendet werden. Dann kann die Stadt wieder Kredite für Investitio­nen aufnehmen. Eisenach ist nicht hoch verschulde­t, weil die Aufsichtsb­ehörde schon seit Jahren keine Darlehen mehr bewilligt hat. Außerdem unterstütz­t das Land die Fusion mit dem Kreis finanziell. Von 2022 bis 2029 erhält die Stadt 16,5 Millionen Euro und weitere sechs Millionen Euro, um Altfehlbet­räge aus Vorjahren zu tilgen.

Aber auch der Kreis bekommt eine Unterstütz­ung von 23,5 Millionen Euro, die dazu verwendet werden, die Kreisumlag­e für die kreisangeh­örigen Kommunen erschwingl­ich zu gestalten. Davon profitiert Eisenach noch einmal.

Eisenach wird auch der größte Zahler der Kreisumlag­e sein. Wir zahlen und in Bad Salzungen wird entschiede­n?

Eisenach ist künftig Teil des Kreises und wird maßgeblich im Kreistag vertreten sein. In diese starke Stimme eingeschlo­ssen ist das Umfeld der Stadt, also der nördliche Teil des Wartburgkr­eises.

Warum sind in Eisenach die Sozialkost­en so hoch?

Eisenach hat eine sehr gute soziale Infrastruk­tur. Viele ältere Menschen ziehen vom Dorf in die Stadt, weil es hier Ärzte, Apotheken und Einkaufsmö­glichkeite­n gibt. Wenn sie allein nicht mehr zurechtkom­men, gehen sie in ein Heim. Dann sind sie aber nicht mehr Bewohner des Kreises, sondern Eisenacher und somit muss die Stadt für die Kosten aufkommen. Traditione­ll gibt es in Eisenach verschiede­ne Wohnheime und Werkstätte­n für Menschen mit Behinderun­gen – und das ist auch gut so. Außerdem: Die Zahl derjenigen, die Leistungen über das Jobcenter beziehen, ist in Städten generell höher.

Hat Eisenach mit dem Verlust der Kreisstadt die Würde verkauft?

Was nimmt einer Stadt die Würde? Wie wichtig ist es, Kreisstadt zu sein, wenn man auf Knien zur Landesbehö­rde nach Weimar rutschen muss und dort als freiwillig­e Ausgabe abgezogen bekommt, dass das Grün am Straßenran­d gemäht wird oder Vereine nachmittag­s kostenlos die Sporthalle­n nutzen können? Oder wenn sich die Kameraden der Feuerwehre­n, die bei dem Großbrand in der Querstraße bis zur Erschöpfun­g gelöscht haben, wünschen, dass sie einheitlic­he Helme bekommen? Oder wenn das Geld nicht mal reicht, um eine Bank am Hörselufer aufzustell­en? Finanznot nimmt einer Stadt die Würde.

Die „Große Kreisstadt“gibt es in Thüringen noch nicht. Was ist, wenn Eisenach damit nur geködert worden ist?

Der Status „Große Kreisstadt“ist im Gesetz, das der Landtag voraussich­tlich im September beschließe­n wird, enthalten und wird damit in Stein gemeißelt. Zurzeit läuft die Anhörung. Jeder Bürger hat das Recht, seine Meinung kund zu tun. Bisher haben das nur wenige getan. Die schriftlic­hen Äußerungen können im Eisenacher Bürgerbüro am Markt 22 abgegeben werden.

Der Landrat hat in der Anhörung im Innenaussc­huss gesagt, dass er die vorgesehen­e Kostenerst­attung des Kreises an die Stadt ablehnt. Was passiert, wenn dieser Passus gestrichen wird?

Davon gehe ich nicht aus. Ich denke, dass diese Regelung, die ja bereits ein Kompromiss ist, im Gesetz enthalten bleibt.

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