Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Finanznot, Kompromiss und die Würde einer Stadt
Eisenachs Oberbürgermeisterin beantwortet in einer Einwohnerversammlung Fragen zur Fusion mit dem Wartburgkreis
Eisenach. In einer Einwohnerversammlung hat Oberbürgermeisterin Katja Wolf (Linke) am Montagabend über den aktuellen Stand der Fusion der Stadt Eisenach mit dem Wartburgkreis informiert. Außerdem beantwortete sie Fragen von Bürgern. Hier ist eine Auswahl von Fragen und Antworten.
Warum wird Eisenach nicht wieder die Kreisstadt, sondern Bad Salzungen bleibt die Kreisstadt?
Mein Herz gibt Ihnen recht. Aber wenn man heiratet, müssen die Partner Kompromisse schließen. Wir haben erreicht, dass Eisenach den Status „Große Kreisstadt“erhält mit speziellen Aufgaben, die keine andere kreisangehörige Stadt hat.
Die zwischenzeitliche Idee, dass es zwei Kreisstädte geben könnte, war eine salomonische Lösung. Aber diese war nicht durchsetzbar.
Die Kreisseite hat deutlich gesagt, dass Bad Salzungen die Kreisstadt sein muss. Deshalb ist jetzt die „Große Kreisstadt“der Kompromiss. Wie wahrscheinlich ist eine Fusion der beiden Städte Bad Salzungen und Eisenach?
Bad Salzungen geht bereits fast bis an die Eisenacher Stadtgrenze. Etterwinden gehört zu Bad Salzungen. Aber nein, eine Fusion beider Städte ist nicht wahrscheinlich.
Wann wird Eisenach finanziell wieder handlungsfähig. Gotha hat Eisenach inzwischen den Rang abgelaufen.
Um so wichtiger ist, wieder aufzuholen. Durch die Fusion wird die Stadt Eisenach von den überdurchschnittlich hohen Sozialkosten entlastet, weil diese vom Kreis übernommen werden. Das sind sechs, sieben Millionen Euro pro Jahr. Das ist auch die Summe, die Eisenach jährlich als Bedarfszuweisungen vom Land erhält. Steht dieses Geld wieder im Haushalt zur Verfügung, kann die Haushaltssicherung beendet werden. Dann kann die Stadt wieder Kredite für Investitionen aufnehmen. Eisenach ist nicht hoch verschuldet, weil die Aufsichtsbehörde schon seit Jahren keine Darlehen mehr bewilligt hat. Außerdem unterstützt das Land die Fusion mit dem Kreis finanziell. Von 2022 bis 2029 erhält die Stadt 16,5 Millionen Euro und weitere sechs Millionen Euro, um Altfehlbeträge aus Vorjahren zu tilgen.
Aber auch der Kreis bekommt eine Unterstützung von 23,5 Millionen Euro, die dazu verwendet werden, die Kreisumlage für die kreisangehörigen Kommunen erschwinglich zu gestalten. Davon profitiert Eisenach noch einmal.
Eisenach wird auch der größte Zahler der Kreisumlage sein. Wir zahlen und in Bad Salzungen wird entschieden?
Eisenach ist künftig Teil des Kreises und wird maßgeblich im Kreistag vertreten sein. In diese starke Stimme eingeschlossen ist das Umfeld der Stadt, also der nördliche Teil des Wartburgkreises.
Warum sind in Eisenach die Sozialkosten so hoch?
Eisenach hat eine sehr gute soziale Infrastruktur. Viele ältere Menschen ziehen vom Dorf in die Stadt, weil es hier Ärzte, Apotheken und Einkaufsmöglichkeiten gibt. Wenn sie allein nicht mehr zurechtkommen, gehen sie in ein Heim. Dann sind sie aber nicht mehr Bewohner des Kreises, sondern Eisenacher und somit muss die Stadt für die Kosten aufkommen. Traditionell gibt es in Eisenach verschiedene Wohnheime und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen – und das ist auch gut so. Außerdem: Die Zahl derjenigen, die Leistungen über das Jobcenter beziehen, ist in Städten generell höher.
Hat Eisenach mit dem Verlust der Kreisstadt die Würde verkauft?
Was nimmt einer Stadt die Würde? Wie wichtig ist es, Kreisstadt zu sein, wenn man auf Knien zur Landesbehörde nach Weimar rutschen muss und dort als freiwillige Ausgabe abgezogen bekommt, dass das Grün am Straßenrand gemäht wird oder Vereine nachmittags kostenlos die Sporthallen nutzen können? Oder wenn sich die Kameraden der Feuerwehren, die bei dem Großbrand in der Querstraße bis zur Erschöpfung gelöscht haben, wünschen, dass sie einheitliche Helme bekommen? Oder wenn das Geld nicht mal reicht, um eine Bank am Hörselufer aufzustellen? Finanznot nimmt einer Stadt die Würde.
Die „Große Kreisstadt“gibt es in Thüringen noch nicht. Was ist, wenn Eisenach damit nur geködert worden ist?
Der Status „Große Kreisstadt“ist im Gesetz, das der Landtag voraussichtlich im September beschließen wird, enthalten und wird damit in Stein gemeißelt. Zurzeit läuft die Anhörung. Jeder Bürger hat das Recht, seine Meinung kund zu tun. Bisher haben das nur wenige getan. Die schriftlichen Äußerungen können im Eisenacher Bürgerbüro am Markt 22 abgegeben werden.
Der Landrat hat in der Anhörung im Innenausschuss gesagt, dass er die vorgesehene Kostenerstattung des Kreises an die Stadt ablehnt. Was passiert, wenn dieser Passus gestrichen wird?
Davon gehe ich nicht aus. Ich denke, dass diese Regelung, die ja bereits ein Kompromiss ist, im Gesetz enthalten bleibt.