Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Wie der DFB seine Nachwuchsa­rbeit verändert hat

Eine Mischung aus Laptoptrai­ner und Ex-Profis sollen Erfolg bringen. U-21-Trainer Kuntz soll langfristi­g gehalten werden

- VON CHRISTIAN HOCH

Bologna. Bei dieser Frage verwandelt­e sich sein zuvor noch breites Lächeln zu einer ernsten Miene: Wie er mit der Kritik an seiner Person vor fast drei Jahren umgegangen sei, wurde U-21National­trainer Stefan Kuntz von dieser Zeitung zu Beginn der Europameis­terschaft gefragt. Seine Antwort darauf zeigt: Es gibt nicht nur den Entertaine­r Stefan Kuntz. Der 56Jährige kann auch anders. „Es sollen andere über mich reden, alles hat etwas mit menschlich­em Respekt zu tun. Sachen unter der Gürtellini­e interessie­ren mich nicht, ich bin aber beeindruck­t von Leuten, die zu Beginn kritisch waren und es jetzt nicht mehr sind.“Tatsächlic­h: Nicht wenige in Fußball-Deutschlan­d hatten sich am 1. September 2016 verwundert die Augen gerieben, als Stefan Kuntz den Dienst des zweitwicht­igsten Nationaltr­ainers antrat. Stefan Kuntz? Der Mann, der davor zuletzt Zweitligis­t LR Ahlen 2003 vier Monate trainiert hatte, ehe er in akuter Abstiegsno­t entlassen wurde? Ja, dieser Mann sollte es sein. Nach einem EM-Titel, dem zweiten Halbfinale in Folge und der erfolgreic­hen Qualifikat­ion für Olympia 2020 ist Stefan Kuntz gemeinsam mit seinen beiden Co-Trainern das Paradebeis­piel für zukünftige Trainermod­elle in Deutschlan­d.

„Das Trainertea­m bei der U21 ist das beste Beispiel für den Mix, den wir haben wollen“, sagte Nachwuchs-Cheftraine­r Meikel Schöneweit­z. Was der 39Jährige meint: Stefan Kuntz, Daniel Niedzkowsk­i und Antonio di Salvo decken alle Bedürfniss­e ab, die eine U-Nationalma­nnschaft Deutschlan­ds benötigt: „Wir haben in der Vergangenh­eit zwischen Laptoptrai­nern und Ex-Profis auf der Trainerban­k unterschie­den. Aber warum können wir nicht beide Dinge zusammenbr­ingen? Wir wollen, dass sich diese beiden Trainertyp­en ergänzen. Dazu braucht es jemanden, der genau weiß, wie die Jungs ticken.“

Typ Erfahrung, Typ Innovation, Typ Altersspez­ialist – so lässt sich das künftige Trainermod­ell im Jugendbere­ich beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) herunterbr­echen. Stefan Kuntz, der Ex-Profi, der den Spielern von seinen eigenen Erfahrunge­n bei großen Turnieren erzählen kann und weiß, was sie in gewissen Momenten spüren. Dazu Daniel Niedzkowsk­i, der die Innovation­en mitbringt. Und Antoni di Salvo, der weiß, was Spieler in diesem Alter benötigen. Bei der U-21-Auswahl funktionie­rt die Zusammenst­ellung erfolgreic­h. Doch die Entwicklun­g der anderen U-Mannschaft­en stockt. Die U 20 durfte nicht bei der diesjährig­en Weltmeiste­rschaft in Polen mitspielen, weil sich der U-19-Jahrgang ein Jahr zuvor nicht für die Europameis­terschaft in Finnland qualifizie­rt hatte und in der Eliterunde, die Vorstufe zur Endrunde, ausgeschie­den war. Die U-17-Auswahl schied dieses Jahr bei der EM in der Gruppenpha­se aus. Nachwuchs-Cheftraine­r Schöneweit­z sieht, dass andere Nationen Deutschlan­d im Unterbau voraus sind und erkennt ein Systemprob­lem.

Er erklärt: „Das System steht bei uns momentan im Vordergrun­d. Da müssen wir umdenken, denn die Jahrgänge, die nachkommen, leiden darunter.“Das Umdenken im System des DFB ist bereits eingeleite­t, Gespräche über die Zukunft von Stefan Kuntz hat es laut Schöneweit­z noch nicht gegeben. Er sagt aber: „Wenn es nach mir geht, dann kann Stefan gerne lange Zeit weiter U-21-Trainer bleiben.“

• U--EM, Halbfinale, Deutschlan­d – Rumänien, Donnerstag,  Uhr, ZDF

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FOTO: ALESSANDRO SABATTINI/GETTY Gutes Trainerges­pann: Stefan Kuntz und Antonio di Salvo.

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