Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Nachlass Avital Ben Chorins kommt nach Eisenach
Offizielle Übergabe am 19. September beim Achava-Festival. Eröffnet wird das Fest diesmal in der Wartburgstadt
Eisenach. Die Stadt hat gestern erstmals Stücke aus dem Nachlass ihrer 2017 verstorbenen Ehrenbürgerin Avital Ben Chorin vorgestellt. Oberbürgermeisterin Katja Wolf (Linke) konnte zudem im Rahmen der Pressekonferenz zu den jüdischen Achava-Festspielen verkünden, dass dieser in die Stadt kommen wird. Die 1923 als Erika Fackenheim in Eisenach Geborene hatte unter dem Druck der NS-Diktatur 1936 ihre Heimatstadt verlassen müssen. Verheiratet mit dem Religionsphilosophen Shalom Ben-Chorin hat sie in Israel lebend ihr Leben in den Dienst von Verständigung und Versöhnung gestellt, betonte Wolf. 2012 hatte ihr die Stadt Eisenach die Ehrenbürgerwürde verliehen.
Wolfs Israel-Reise vor einigen Monaten habe geholfen, die Zweifel, ob die Familie den Nachlass nach Eisenach gibt, zerstreut, hieß es gestern. Dort hatte die OB das persönliche Gespräch zur deren Nachfahren gesucht, die durchaus in Sorge um die erstarkte Rechte in Eisenach sind. Und sich auch fragten, was mit dem Nachlass passieren könnte, wenn sich politische Machtverhältnisse einmal ändern würden. Eisenach habe eine besondere DNA, meint Wolf, die auch ambivalent sei. Zum einen gebe es eine starke jüdische Kultur, die in der Stadt existiert hat, zum anderen eben mit Blick auf die aktuellen Wahlergebnisse in Eisenach eine große Verantwortung, mit dem Erbe umzugehen.
Nachlass wird erschlossen und digitalisiert.
Der Nachlass wird offiziell von Nachkommen Avital Ben Chorins im Rahmen der AchavaFestspiele, die erstmalig ab 19. September auch in Eisenach stattfinden, überreicht. Gestern stellte der Leiter des Amtes für Bildung, Reinhold Brunner, einige Stücke vor.
Für Zwecke der wissenschaftlichen Nutzung wird der Nachlass im Stadtarchiv aufbewahrt, erschlossen, digitalisiert und der Forschung zur Verfügung gestellt. „Damit bekommt Geschichte ein Gesicht“, betonte Katja Wolf. Reinhold Brunner erläuterte, dass es das Material ermöglicht, das Leben und Wirken Avitals detailreich zu erforschen. Zum Nachlass gehören unter anderem persönliche Dokumente, zahlreiche Informationen
zur jüdischen Geschichte Eisenachs und Bilder, die vielleicht wie keine andere Quelle das Schicksal einer jüdischdeutsch-israelischen Familie widerspiegeln. Insbesondere das lebenslange Engagement Avital
Ben-Chorins für christlich-jüdische Verständigung vermitteln viele Dokumente des Nachlasses. Der Amtsleiter präsentierte gestern Schriftstücke, unter anderem auch von Paul Oppenheim, nach dem die Oppenheimstraße in Eisenach benannt ist. Er hatte laut Brunner engen Kontakt zu Fackenheims und sei das erste Opfer des nationalsozialistischen Völkermords an den Juden in Eisenach gewesen, weil er sich unter dem Druck der Nazis das Leben genommen hatte. Brunner präsentierte aber auch ein Opernglas der Firma Linsenbarth Optik, eine Städtequartett-Spiel, ein Poesie- und ein Fotoalbum. Mit Hilfe des Nachlasses, betonte der frühere Eisenacher Stadtarchivar, der seit etlichen Jahren zur lokalen jüdischen Geschichte und der Geschichte des Nationalsozialismus forscht und dazu auch mehrere Bücher veröffentlicht hat, könne gut nachgezeichnet werden, was Fackenheim 1936 bei ihrem Weggang wichtig war.
Unterstützung erhält die Stadt bei diesem Projekt von einem Vertrauten der Familie BenChorin. Tobias Raschke bereitet den Nachlass in Israel vor und sorgt für die Übersendung. Die Thüringer Staatskanzlei, die Wartburg-Sparkasse und der Geschichtsverein haben dieses Projekt mitgefördert.
Teile des Nachlasses sollen später auch in einer Erinnerungsecke im Bereich der früheren Schule Ben-Chorins in der Goetheschule gezeigt werden.