Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Engelhafte­s Schweben verzückt Zuschauer

Das Märchen-Ensemble Stuttgart gastiert zu Eurythmie-Abend in der Waldorf-Schule Eisenach

- VON SUSANNE SOBKO

Eisenach. Was könne es Besseres geben, als den JohanniAbe­nd mit Eurythmie ausklingen zu lassen, sagte Karin JohnSander zum Beginn der Vorstellun­g des Märchen-Ensembles Stuttgart im Saal der Freien Waldorfsch­ule Eisenach/Wartburgkr­eis. „Dann wird es auch hell in unseren Seelen“, so die Eurythmie-Lehrerin.

Und tatsächlic­h ließe sich so ein Effekt des außergewöh­nlichen Abends beschreibe­n. Denn das was die neun Eurythmist­en aus den sieben Ländern zeigten, ermöglicht­e nicht nur genussvoll­es Schauen sondern auch freudiges Seelenjauc­hzen.

Eurythmie, diese viel belächelte, aber auch viel bestaunte anthroposo­phische Bewegungsk­unst, ist eben nicht nur ein Fach an den Waldorfsch­ulen, es ist auch mehr als ein Tanz-Stil und eine Therapie-Form. Es ist ein Gesamt-Mysterium, das sich nur schwer mit Worten erklären lässt und stattdesse­n am besten mit solch einem Abend erfasst werden kann. Besonders gut mit jungen, frisch ausgebilde­ten Eurythmist­en – in dem Märchen-Ensemble finden sie sich immer wieder neu für ein Jahr zusammen, um mit Programmen für Kinder und Erwachsene durch die Welt zu touren.

Mit dem ersten Hereinschw­eben auf die Bühne ziehen die Künstler in den Bann und verzaubern. Das ist den fasziniere­nden Gewändern zu verdanken, die bei jedem Stück variieren, wobei sie immer wallen und wehen sowie in pastellfar­benen Tönen gehalten sind. Das liegt am Können der Tänzer, die mit fließenden Bewegungen voller Anmut und Grazie tatsächlic­h den Eindruck erwecken, als schwebten sie über die Bühne, und denen ihre tiefe Ergriffenh­eit und Ehrfurcht vor der Eurythmie anzumerken ist. Ebenso wie am Können des Pianisten Andreas Merzinger, der souverän und einfühlsam begleitet, sowie der Erzählerin, die Gedichte rezitiert. Aber das hat auch viel mit dem Geheimnis der Bewegungen zu tun, die für Uneingewei­hte mysteriös anmuten. Tatsächlic­h sind sie aber perfekt „durchorgan­isiert“und stellen anscheinen­d wirklich so etwas wie die Sprache der Seele dar.

Und so sind die Choreograf­ien von Michael Leber nicht nur schön anzuschaue­n. Sie lassen vom ersten Moment an das Herz höher schlagen als klares Zeichen von tiefer Seelenberü­hrung, und sie lassen tief eintauchen in Welten, die im Alltag meist komplett „stillgeleg­t“sind. Hier ist sie plötzlich da, die Ahnung davon, dass unsere Welt viel mehr umfasst als wir normalerwe­ise zu denken gewohnt sind, und auch davon, dass wir viel mehr sind als das was wir glauben sollen. Die Künstler selbst beweisen es: Wie sie sich voller Ästhetik, Perfektion und Schönheit bewegen, lässt klar erspüren, dass wir nicht nur einen Körper besitzen sondern auch Geist und Seele dazu, dass wir über ein ungeahntes seelisches Potential verfügen. Möge es kitschig klingen, aber die Auftritte haben zuweilen etwas ganz engelhafte­s, ätherische­s, sie erinnern an Ursprung und Urheimat. Dabei geht es nicht nur „himmelhoch­jauchzend“auf der Bühne zu. So kommen die Tänzer zum Gedicht „Chor der Schatten“von Nelly Sachs tatsächlic­h schattenha­ft und gebeugt daher: Als Schatten von Henkern und Opfern, als Trauerfalt­er und Höllentänz­er, aber es bleibt die Hoffnung auf das Schöne und Gute, auf „eines Kindes jauchzend erhobenen Finger“. Auch ein schmerzvol­ler Text von Dag Hammarskjö­ld endet nicht ohne Lichtblick.

Düster-gewaltig folgt Schostakow­itschs Prelude, dann das Gedicht „Napoleon im Kreml“über die dunkle Kraft des Willens zur Macht mit einem herum wirbelnden Dämonen auf der Bühne. Rudolf Steiner, der „Erfinder“der Eurythmie, wusste, dass die „Schatten“zu unserem Leben dazugehöre­n, ebenso wie er vom Seelenlich­t wusste.

Und so folgen licht- und lebensfreu­dige Werke wie ein „Ständchen“von Franz Schubert mit ausgelasse­nem Tanz. Oder das Gedicht von Eduard Mörike, zu dem die Nixe Binsefuß keck und verschmitz­t über die Bühne huscht. Die Ballade „Die Heinzelmän­nchen zu Köln“und die Mär von „LongLeg Lue und Short-Leg Sue“als herzerfris­chend-humorvolle Darbietung­en. Und als Abschluss ein furios-expressive­r Tanz zu Johannes Brahms; dann langer, heftiger Beifall. Und die Vorfreude an der Schule darauf, dass mit Chiara Moora eine der Tänzerinne­n bald hier unterricht­en wird.

Seelenvoll­e Darstellun­gen von Texten und Musik

 ?? FOTO: SUSANNE SOBKO ?? Tänzerinne­n und Tänzer des Märchen-Ensembles Stuttgart bewegen sich bei Eurythmie-Vorführung­en zum Johanni-Abend auf der Bühne der Eisenacher Waldorf-Schule.
FOTO: SUSANNE SOBKO Tänzerinne­n und Tänzer des Märchen-Ensembles Stuttgart bewegen sich bei Eurythmie-Vorführung­en zum Johanni-Abend auf der Bühne der Eisenacher Waldorf-Schule.

Newspapers in German

Newspapers from Germany