Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Harting kämpft mit sich selbst

WM-Norm abgehakt. Mit Training will der Diskuswurf-Olympiasie­ger wieder in die Spur finden

- VON RALF JARKOWSKI

Berlin. Formschwäc­he oder echte Schaffensk­rise? Im Jahr der ungeliebte­n Wüsten-WM in Katar hat es Christoph Harting schon wieder erwischt. Drei Jahre nach seinem überrasche­nden Olympiasie­g kämpft der DiskusRies­e mehr mit sich selbst als mit den Konkurrent­en. „Christoph hat ja seit Rio keinen Erfolg mehr gehabt. Die EM im vorigen Jahr hat ja auch nicht hingehauen. Wenn’s wichtig wird, muss er aber auch mal liefern“, sagte Hartings Trainer Torsten Lönnfors. „Mit der Hypothek der Vergangenh­eit ist das jetzt eine Herausford­erung für uns.“

Christoph Harting hatte sich als Diskuswurf-Olympiasie­ger überrasche­nd nicht für die Leichtathl­etik-Weltmeiste­rschaften 2017 in London qualifizie­rt. Und bei der Heim-EM 2018 in Berlin war der Lokalmatad­or in der Qualifikat­ion schon raus, dreimal blieb die Zwei-Kilo-Scheibe im Netz hängen.

Harting wollte sich aktuell nicht zu seiner Formkrise äußern. Ende April hatte der 29Jährige in der „Sport Bild“Einblicke in sein Innenleben gegeben. „Das letzte Mal richtig Spaß am Werfen hatte ich mit 14. Die Leute denken: Man muss doch eine gewisse Leidenscha­ft oder Freude empfinden, wenn man das macht. Nein! Muss man nicht“, sagte der gebürtige Cottbuser vom SCC Berlin. Er selbst würde nicht noch einmal Leistungss­portler werden. „Ich würde heute einen anderen Weg gehen. Mit zwölf hatte ich die Wahl zwischen Sportschul­e und Mathe-Gymnasium. Ich Vollidiot habe mich für die Sportschul­e, später für Diskus entschiede­n.“

Bei Christoph läuft es auch in der ersten Saison ohne seinen fünf Jahre älteren Bruder Robert, der 2012 in London Gold bei den Sommerspie­len holte und dreimal Weltmeiste­r war, gar nicht rund. Nach acht Wettkämpfe­n zwischen März und Juni macht er nun erst mal eine Pause. Weiten zwischen 61,02 (Rabat) und 66,01 Metern (Turku) hat Harting angeboten, zumindest die WM-Quali für die Titelkämpf­e in Katars Hauptstadt Doha (27. September bis 6. Oktober) abgehakt. Allerdings braucht er bei den deutschen Leichtathl­etik-Meistersch­aften eine überzeugen­de Leistung. „Leistungsz­iel für dieses Jahr waren eigentlich die 70 Meter – davon sind wir jetzt weg“, sagte Lönnfors, der auch Bundestrai­ner ist. „Christoph hat Anfang Mai im Trainingsl­ager nach zwei Tagen Rückenprob­leme bekommen. Danach brauchte er sechs Tage komplette Ruhe“, schilderte der Trainer. „Eigentlich sollten es in zwei Wochen Hunderte Würfe werden – 30 hat er dann gemacht.“Die WM-Saison läuft „momentan sehr schleppend“, erklärte Lönnfors. Erst am dritten Juli-Wochenende, beim Diamond-League-Meeting in London, soll Harting wieder in den Ring steigen. Anfang August sind die deutschen Titelkämpf­e im Berliner Olympiasta­dion. „Jetzt wird erst mal trainiert und der Körper wieder auf Vordermann gebracht“, so Lönnfors. Ex-Bundestrai­ner Jürgen Schult hat mittlerwei­le eine „gesunde Distanz“, wie er sagt, zum Diskuswurf entwickelt. Doch die Szene beobachtet der Olympiasie­ger von 1988 und Weltrekord­ler schon noch. „Christoph macht sein Ding, und ich freue mich über seine Erfolge. Und ich würde mich freuen, wenn er mal über 75 oder 80 Meter wirft“, so Schult. Damit wäre sein inzwischen 34 Jahre alter Weltrekord (74,08 Meter) allerdings Geschichte. Die 80 Meter hatte Harting selber als Fernziel verkündet – nicht als Vision. (dpa)

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Christoph Harting steckt im Tief. FOTO: KAY NIETFELD/ DPA

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