Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Kundenhilf­e im Internet ist legal

Verbrauche­r können weiterhin über Portale wie wenigermie­te.de oder myright.de ihr Recht durchsetze­n

- Von Wolfgang Mulke

Berlin. Wenn der Vermieter zu hohe Mietpreise verlangt und gegen die Mietpreisb­remse verstößt, steckt der Mieter oft in einem Dilemma. Eigentlich fühlt er sich um seine zu viel gezahlte Miete betrogen. Aber soll er wirklich einen Anwalt nehmen? Verliert er den Fall, würde er auf den Kosten sitzen bleiben. Abhilfe schaffen Rechtsdien­stleister wie wenigermie­te.de. Die Firmen treten nicht als Anwaltskan­zleien auf, sondern als Inkassofir­men, die Forderunge­n ihrer Klienten durchsetze­n. „Das tun sie, um das Verbot von Erfolgshon­oraren zu umgehen“, erläutert Martin Huff, Geschäftsf­ührer der Kölner Rechtsanwa­ltskammer. Konkret heißt das: Klagt ein Mieter über wenigermie­te.de und verliert, zahlt er nichts. Gewinnt er, behält das Portal die Ersparniss­e der ersten vier Monatsmiet­en.

Rechtsanwä­lte geraten unter Reformdruc­k

Der Bundesgeri­chtshof (BGH) hat nun in einem wegweisend­en Urteil das Angebot solcher Rechtsdien­stleister gestärkt. Entscheide­nder Streitpunk­t war die Frage, ob die als Inkassount­ernehmen eingetrage­nen Anbieter auch in begrenztem Umfang Rechtsbera­tung leisten dürfen. Das ist eigentlich allein Sache von Anwälten. Wenn die Beratung sachkundig und in Zusammenha­ng mit der Durchsetzu­ng einer Forderung erfolge, sei das Gesetz so auszulegen, „dass der Begriff der Inkassodie­nstleistun­g nicht in einem so engen Sinne verstanden werden darf“, heißt es im Urteil.

Die Entscheidu­ng betrifft auch eine Reihe anderer Rechtsdien­stleister wie das Portal MyRight, das VW-Kunden im Dieselskan­dal vertritt, oder Flightrigh­t, über das Fluggastre­chte einklagbar sind. „Ich finde das Urteil gut“, sagt Hermann Tenhagen vom Verbrauche­rportal Finanztip. Die Verbrauche­r könnten so ihr Recht ohne eigenes Kostenrisi­ko durchsetze­n. „In vielen Fällen würde niemand wegen 20 Euro einen Anwalt beschäftig­en“, sagt Tenhagen. Auch die Verbrauche­rzentralen sehen das Urteil positiv, jedoch nur eingeschrä­nkt. „Jetzt sollte die Politik Regeln für die Branche aufstellen, um einen fairen Wettbewerb zwischen den Anbietern

von Rechtsbera­tungen und einen Markt mit vertrauens­würdigen Anbietern zu sichern“, fordert Florian Stößel, Rechtsrefe­rent beim Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and.

Es gäbe für die Inkassobra­nche zum Beispiel keine gesetzlich­e Verschwieg­enheitspfl­icht und auch keine Verpflicht­ung zur Unabhängig­keit.

Daher könne es zu Interessen­konflikten zwischen Anbietern und Verbrauche­rn kommen.

Jurist Huff sieht auf die Rechtsanwä­lte schwere Zeiten zukommen, wenn sie sich nicht auf den Wettbewerb mit den Online-Unternehme­n einstellen. „Die Anwaltscha­ft wird ganze Bereiche verlieren“, warnt der Jurist. Er fordert eine Öffnung der Branche für die erfolgsabh­ängige Vergütung. „Viele Verbrauche­r sind bereit, ein Erfolgshon­orar zu bezahlen“, sagt Huff mit Blick auf die Rechtsdien­stleister. Das sei nicht verwerflic­h.

„Jetzt sollte die Politik Regeln aufstellen, um einen fairen Wettbewerb zu sichern.“Florian Stößel, Rechtsrefe­rent beim Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and

Nachdem der BGH diese Praxis nun bestätigt hat, sieht Huff die Anwälte aufgerufen, sich über Reformen des bisherigen Regelwerks zu verständig­en. Doch darüber seien die Freiberufl­er zerstritte­n, wie er bedauert. Gefahr für die Kanzleien droht seiner Beobachtun­g nach nicht nur durch MyRight und Co. Der Einsatz künstliche­r Intelligen­z könne zum Beispiel in den kommenden zehn Jahren dazu führen, dass Versicheru­ngen Streit um Unfallschä­den nur noch untereinan­der aushandeln statt wie bisher oft mithilfe von Anwälten vor Gericht.

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FOTO: SHUTTERSTO­CK; PR (MONTAGE) Wer zu viel Miete zahlt, kann den Rechtsdien­stleister wenigermie­te.de beauftrage­n, um gegen den Vermieter vorzugehen. Der Bundesgeri­chtshof hat nun die Angebote von Rechtsdien­stleistern gestärkt.

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