Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Die Spur der Steine
Warum Rot-Rot-Grün sich streitet und Ramelow den Konfuzius gibt, wenn der Koalitionsvertrag vorgestellt wird
Erfurt. Da standen sie am Freitagnachmittag im „Haus Dacheröden“am Erfurter Anger beieinander: die drei Partner, die sich wieder einander versprochen haben, und mühten sich um Harmonie. Es wurde viel von „Optimismus“und „Offenheit“geredet und davon, wie man nun mit Christdemokraten, Liberalen und dem Thüringer Bürger an sich ins Gespräch treten wolle, aber ganz und gar nicht mit der AfD.
Man befand sich auf, nun ja, historischem Boden. Dort, wo die drei Parteien schon vor fünf Jahren den ersten rot-rot-grünen Koalitionsvertrag der deutschen Geschichte präsentiert hatten, stellten sie nun die
Neuauflage vor. In dem Papier von gut 60 Seiten wird beschrieben, was man, unter anderem, für Kindergärten (mehr Erzieherinnen), Eltern (weniger Gebühren), Kommunen (mehr Geld), Schulen (weniger Unterrichtsausfall) und die Arbeitnehmer (mehr Mindestlohn) tun will.
Um den Vertrag vorzustellen, hatten die Linke-Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow, der SPD-Vorsitzende Wolfgang Tiefensee und die grüne Umweltministerin Anja Siegesmund zur politischen Werbeveranstaltung eingeladen. Doch dann kam ihnen die Realität dazwischen.
Tags zuvor hatten sie in größerer Runde von Mittag bis in den späten Abend hinein ergebnislos gestritten. Das lag, trotz allen Redens von „Augenhöhe“, an der Ausgangskonstellation: Der Wahlgewinner Linke (31 Prozent) traf auf zwei Wahlverlierer SPD (8,2 Prozent) und Grüne (5,2 Prozent), wegen deren schwachen Auftritten nun die Mehrheit im Parlament fehlt. Die Forderung von Siegesmund, die ihr 2014 versagten Bereiche Landwirtschaft und Forst von dem bisher Linke-geführten Infrastrukturressort ins Umweltministerium zu holen, traf auf erheblichen Widerstand bei der mit Abstand größten Partei – zumal sie den mächtigen Bauernverband auf ihrer Seite weiß.
Insbesondere die Linke befindet sich in einer Machtposition. Sie könnte theoretisch auch mit ihren 29 Stimmen – und ohne die 13 von SPD und Grünen – eine Minderheitsregierung wagen. Schließlich muss sie ja sowieso um die Zustimmung von CDU und FDP werben. Auf der anderen Seite, dies ist das Dilemma von Union und Liberalen, kann sich keine Mehrheit gegen sie bilden, ohne dass die AfD zumindest indirekt eingebunden wird.
Aber soweit ist es noch nicht. Über das Wochenende dürften viele Gespräche geführt werden, bevor sich Rot-Rot-Grün am Montag zusammenraufen will. Die Zeit drängt, da nächste Woche die Mitgliederbefragung der Linken startet sowie die Parteitage von SPD und Grünen stattfinden. Dann muss man etwas präsentieren können.
Die CDU verfolgt den Vorgang mit Häme. „Erst das Land ... es gilt halt immer nur dem anderen“, twitterte Landeschef Mike Mohring sarkastisch. Aber er hat seine eigenen Probleme.
Der sehr kleine, aber dafür sehr laute Verein „Werteunion“fordert einen Sonderparteitag, um jede Zusammenarbeit mit der Linken zu untersagen und stattdessen mit der AfD anzubandeln.
Und was sagt der geschäftsführende Ministerpräsident? Er blieb, sein Temperament berücksichtigend, taktisch still und zitierte lieber auf Twitter Konfuzius, Nietzsche und Goethe: „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.“