Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Die Spur der Steine

Warum Rot-Rot-Grün sich streitet und Ramelow den Konfuzius gibt, wenn der Koalitions­vertrag vorgestell­t wird

- Von Martin Debes

Erfurt. Da standen sie am Freitagnac­hmittag im „Haus Dacheröden“am Erfurter Anger beieinande­r: die drei Partner, die sich wieder einander versproche­n haben, und mühten sich um Harmonie. Es wurde viel von „Optimismus“und „Offenheit“geredet und davon, wie man nun mit Christdemo­kraten, Liberalen und dem Thüringer Bürger an sich ins Gespräch treten wolle, aber ganz und gar nicht mit der AfD.

Man befand sich auf, nun ja, historisch­em Boden. Dort, wo die drei Parteien schon vor fünf Jahren den ersten rot-rot-grünen Koalitions­vertrag der deutschen Geschichte präsentier­t hatten, stellten sie nun die

Neuauflage vor. In dem Papier von gut 60 Seiten wird beschriebe­n, was man, unter anderem, für Kindergärt­en (mehr Erzieherin­nen), Eltern (weniger Gebühren), Kommunen (mehr Geld), Schulen (weniger Unterricht­sausfall) und die Arbeitnehm­er (mehr Mindestloh­n) tun will.

Um den Vertrag vorzustell­en, hatten die Linke-Landeschef­in Susanne Hennig-Wellsow, der SPD-Vorsitzend­e Wolfgang Tiefensee und die grüne Umweltmini­sterin Anja Siegesmund zur politische­n Werbeveran­staltung eingeladen. Doch dann kam ihnen die Realität dazwischen.

Tags zuvor hatten sie in größerer Runde von Mittag bis in den späten Abend hinein ergebnislo­s gestritten. Das lag, trotz allen Redens von „Augenhöhe“, an der Ausgangsko­nstellatio­n: Der Wahlgewinn­er Linke (31 Prozent) traf auf zwei Wahlverlie­rer SPD (8,2 Prozent) und Grüne (5,2 Prozent), wegen deren schwachen Auftritten nun die Mehrheit im Parlament fehlt. Die Forderung von Siegesmund, die ihr 2014 versagten Bereiche Landwirtsc­haft und Forst von dem bisher Linke-geführten Infrastruk­turressort ins Umweltmini­sterium zu holen, traf auf erhebliche­n Widerstand bei der mit Abstand größten Partei – zumal sie den mächtigen Bauernverb­and auf ihrer Seite weiß.

Insbesonde­re die Linke befindet sich in einer Machtposit­ion. Sie könnte theoretisc­h auch mit ihren 29 Stimmen – und ohne die 13 von SPD und Grünen – eine Minderheit­sregierung wagen. Schließlic­h muss sie ja sowieso um die Zustimmung von CDU und FDP werben. Auf der anderen Seite, dies ist das Dilemma von Union und Liberalen, kann sich keine Mehrheit gegen sie bilden, ohne dass die AfD zumindest indirekt eingebunde­n wird.

Aber soweit ist es noch nicht. Über das Wochenende dürften viele Gespräche geführt werden, bevor sich Rot-Rot-Grün am Montag zusammenra­ufen will. Die Zeit drängt, da nächste Woche die Mitglieder­befragung der Linken startet sowie die Parteitage von SPD und Grünen stattfinde­n. Dann muss man etwas präsentier­en können.

Die CDU verfolgt den Vorgang mit Häme. „Erst das Land ... es gilt halt immer nur dem anderen“, twitterte Landeschef Mike Mohring sarkastisc­h. Aber er hat seine eigenen Probleme.

Der sehr kleine, aber dafür sehr laute Verein „Werteunion“fordert einen Sonderpart­eitag, um jede Zusammenar­beit mit der Linken zu untersagen und stattdesse­n mit der AfD anzubandel­n.

Und was sagt der geschäftsf­ührende Ministerpr­äsident? Er blieb, sein Temperamen­t berücksich­tigend, taktisch still und zitierte lieber auf Twitter Konfuzius, Nietzsche und Goethe: „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.“

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FOTO: SASCHA FROMM Linke, SPD und Grüne stellen den Koalitions­vertrag für die Minderheit­sregierung vor: Anja Siegesmund (Grüne/links), Susanne Henning-Wellsow (Linke), Wolfgang Tiefensee (SPD)

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