Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
AKK und die Operation Kanzleramt
An diesem Wochenende beginnt das Rennen um die Kanzlerkandidatur. Kramp-Karrenbauer hat einen Plan
Hamburg. Übertriebene Eitelkeit kann man Annegret Kramp-Karrenbauer nicht vorwerfen. Und doch werden der CDU-Vorsitzenden die Bilder gefallen, die in diesen Tagen von ihr erscheinen. Die Verteidigungsministerin bei Bundeswehrsoldaten in Jordanien, auf Krisenmission in Iraks Hauptstadt Bagdad, zuletzt mit Prinz Harry im Buckingham Palace. Die Schauplätze kommen durch ihr Amt als Verteidigungsministerin zustande. Doch sie signalisieren Partei und Öffentlichkeit: „Seht her, ich bewege mich sicher auf außenpolitischer Ebene und bin bereit für höhere Aufgaben.“
So kann AKK, wie sie im politischen Berlin genannt wird, auch den Besuch des Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg bei der CDU-Klausur in Hamburg am Freitag als Erfolg verbuchen. Sie trägt gewissermaßen den Glanz des Amtes in ihre Partei. In der Diskussion des rund 60-köpfigen Parteivorstands mit Stoltenberg dürfte die Lage im Atomkonflikt mit dem Iran, die Situation in Syrien sowie der Libyen-Konflikt vor dem BerlinGipfel am Sonntag eine Rolle spielen. Erst am späten Abend wird über die politische Lage im Inland beraten. Im Amt der Verteidigungsministerin erfährt Kramp-Karrenbauer deutlich positiveren Zuspruch als in ihrer Rolle als CDUChefin. Zumal in diesen Wochen, in denen sich die Weltlage gefährlich zugespitzt hat. Es sind genaue jene Wochen, in denen es für KrampKarrenbauer gilt, ihren Anspruch auf die Kanzlerkandidatur zu festigen, um sich beim Wähler um die Nachfolge von Angela Merkel zu bewerben. Sie verweist zwar immer wieder darauf, dass der CDU-Parteitag im Dezember die entscheidenden Weichen stellt. Doch die Wahrheit ist: Entschieden wird im Sommer.
Nein, unmittelbare Entscheidungen über eine Kabinettsumbildung stünden nicht bevor, sagte CSUChef Markus Söder am Donnerstag im oberbayerischen Kloster Seeon. Und doch ist Söder weitergegangen als noch vor einigen Tagen: Nicht nur über neue Bundesminister werde man im Sommer in der Union reden. Sondern auch darüber, „wer möglicherweise“Kanzlerkandidat oder -kandidatin werde, sagte er im Bayerischen Fernsehen. Und nennt dabei AKK als seine Ansprechpartnerin, nicht Kanzlerin Merkel. Will Söder Kramp-Karrenbauer unterstützen?
Klar ist: AKK muss handeln. Die Umfragen für die CDU dümpeln unter 30 Prozent, ihre Beliebtheitswerte sind schlecht. Die potenziellen Konkurrenten Söder, Friedrich Merz, Jens Spahn und Armin Laschet liegen vorn. Weil sie keinen Konflikt mit der Kanzlerin riskieren kann, betont sie, ihr gehe es um ein Zukunftsteam mit Köpfen, „die glaubwürdig für das stehen, was wir politisch wollen“. Darüber wolle sie in den kommenden Wochen reden.
Es ist ein Schachzug. Denn so könnte sie etwa den Dauerrivalen Merz in ein Schattenkabinett (was das zutreffendere Wort für Zukunftsteam ist) einbinden und ihn gleichzeitig in gewisse Schranken verweisen. Da passt es sehr gut ins Bild, dass Merz am Freitag der CDU-Spitze anbot, im kommenden
Wahlkampf eine Rolle zu spielen. „Wir müssen mit der bestmöglichen Formation in die nächste Bundestagswahl gehen. Das ist nicht nur eine Person an der Spitze, das ist eine Mannschaft, und ich möchte auch in einer Mannschaft dabei sein“, sagte er bei einem Wirtschaftsgipfel.
Es gibt noch ein Problem: Der thüringische CDU-Chefs Mike Mohring liebäugelt mit einer Kooperation mit der von der Linkspartei geführten Minderheitsregierung. Dabei weiß man im AdenauerHaus, dass eine derartige Zusammenarbeit eine Diskussion über eine Zusammenarbeit mit der AfD nach sich ziehen würde – was die Partei an den Rande der Spaltung drängen könnte.
AKK muss es in Hamburg gelingen, die Entschlossenheit, die sie beim Parteitag Ende 2019 gezeigt hat, programmatisch umzusetzen und die Moderation der Kandidatenfrage nicht aus der Hand zu geben – auch nicht an CSU-Chef Söder.
Dass die 57-jährige Saarländerin starke Nerven hat und klare Ambitionen Richtung Kanzleramt hegt, hat sie bewiesen. Aber sie schränkte stets ein: „Die grundlegende Frage ist, wie wir die Bundestagswahl so erfolgreich gestalten, dass wir stärkste Partei werden – und zwar so stark, dass wir in einer Regierungskoalition unsere Forderungen wirklich durchsetzen können.“Das schließt ein Zurückstecken im letzten Moment für einen aussichtsreicheren Kandidaten zumindest nicht aus. Der Sommer wird sehr interessant.