Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Wohnhaus mit Vision
Gewohnt wird überall auf der Welt, aber überall anders – zum Beispiel in Barcelona
La Pedrera“nannte der Volksmund das Gebäude schon bald nach seiner Fertigstellung im Jahr 1910 – übersetzt „Steinbruch“. Es war das letzte von nur drei Wohnhäusern des katalanischen Architekten Antoni Gaudí – anschließend widmete er sich nur noch der berühmten Sagrada Família – die man übrigens vom Dach von La Pedrera aus sehen kann. Offiziell heißt der Ausnahmebau Casa Milà und ist nach den keine Kosten scheuenden Auftraggebern benannt. So wurde die Casa Milà als eines der ersten Häuser in Barcelona mit einer Garage und Fahrstühlen ausgestattet. Allerdings kam es schon bald zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Architekt und
Auftraggebern – so wollte Antoni Gaudí ursprünglich eine große Statue der Jungfrau Maria auf dem Dach errichten, konnte sich mit dieser Idee aber nicht durchsetzen. Aber auch so gestaltete er das Haus höchst eigenwillig und stieß seinerzeit auf viel Unverständnis. So stellte die Satirezeitschrift L’Esquella de la Torratxa den Bau als Parkhaus für Zeppeline dar.
Wie die Kulisse eines Fantasyfilms
Davon unbeeindruckt arbeitete Antoni Gaudí an seinem beinahe lebendig wirkenden Bau. Das helle, farblose Steingebäude wird vor allem durch die welligen Formen und die aus Eisen geschlagenen Ornamente aufgelockert. Durch die Unregelmäßigkeiten im Mauerwerk und die vielen Fenster gelangt Luft und Licht in alle Räume. Dazu passt, dass das Gebäude über keine einzige tragende Wand verfügt und seine Struktur nur aus Säulen und offenen Räumen besteht. Besonders faszinierend ist die Dachterrasse, die auch gut als Kulisse eines Fantasyfilms dienen könnte. Tatsächlich haben alle Details eine Funktion: So dienen etwa die skulpturalen, teils schneckenartig geschwungenen Aufsätze als Schornsteine und Lüftungsschächte.
Auch bei der Dekoration war Antoni Gaudí Vorreiter: Für seine Mosaiken recycelte er Glasbruch und Fliesenscherben. Obwohl die Casa Milà zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, werden einige Wohnungen immer noch privat genutzt, eine Wohnung ist aber auch für Besucher zugänglich.