Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Mach dir keine Platte

Arbeitspla­tten in der Küche sollen nicht nur kratzfest und fleckenres­istent sein, sondern vor allem gut aussehen

- Von Christian Horn

Was der Duden schnöde als „Platte zum Verrichten von (Küchen-)Arbeiten“definiert, ist viel mehr als das. Gefühlt sind Küchenarbe­itsplatten heute sogar gefragter denn je: Zum einen schreitet der Rückzug ins Private fort, wobei die Einrichtun­g als Persönlich­keitsausdr­uck und nicht nur als Mittel zum Zweck aufgefasst wird. Zum anderen tangiert der Trend zu bewusster Ernährung natürlich das Küchendesi­gn und somit Arbeitspla­tten, zumal das Selberkoch­en heute ausgiebig zelebriert wird. Und so stellt sich wohl häufiger die Frage, welche Platte es sein soll: eine aus Holz, Stein oder Edelstahl, eine maßgeschne­iderte oder die Komplettlö­sung?

1 Von der Feuerstell­e zum Design

Ursprüngli­ch hatte die Nahrungsau­fnahme der Menschen nichts mit Kochen zu tun – und freilich auch nichts mit Kulturerfi­ndungen wie Arbeitspla­tten. Stattdesse­n ging es buchstäbli­ch ums nackte Überleben. Die Frühform heutiger Küchen als Orte sozialer Interaktio­n waren die ersten Feuerstell­en, um die herum gegessen wurde. In den ersten Siedlungen verbaute man zunächst Holz und Stein und vor allem im antiken Rom viel Marmor. Wie für alle Wohnbereic­he brachte die Massenfert­igung der Industrial­isierung etliche Küchennorm­en und -standards hervor. Heute geht es wieder mehr darum, die Funktional­ität der Platte mit individuel­lem Design zu verbinden.

2 Robuste Oberfläche­n

Die Anforderun­gen an eine solide Arbeitspla­tte ergeben sich aus ihrem Zweck als Abstell- und Kochfläche. Materialie­n, die Schadstoff­e absondern oder leicht entflammba­r sind, scheiden von vornherein aus: Eine Kartonarbe­itsplatte taugt höchstens für einen Sketch. Wichtig ist die Wasserfest­igkeit: Spritzer aus Spülbecken, das Verschütte­n von Flüssigkei­ten, darunter Säuren, und Wasserdamp­f vom Kochen oder aus der Spülmaschi­ne beanspruch­en die Platte. Bestimmte Stoffe bringen die Anforderun­gen von Natur aus mit, andere werden mit Öl oder Wachs imprägnier­t.

Außerdem sollten Arbeitspla­tten kratzfest sein, damit sie dem Verschiebe­n von Töpfen oder abgerutsch­ten Messern standhalte­n. Kratzer sind nicht nur unschön, sondern auch eine Keimstätte für Bakterien. Deswegen sollte die Platte zudem pflegeleic­ht sein. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Hitzebestä­ndigkeit: Bei Holzplatte­n ist ein Untersetze­r nötig, solche aus Edelstahl können Heißes ohne Unterlage ab.

3 Fachgerech­te Montage

Eine Arbeitspla­tte soll nicht in der Mitte durchhänge­n, sich verformen oder wackeln. Zudem sollte sie in einer angenehmen Höhe montiert sein. Allgemein gelten 92 Zentimeter als gute Arbeitshöh­e, bei besonders kleinen oder großen Menschen weicht das Maß ab.

4 Holzig bis edel

Verschiede­ne Materialie­n erfüllen die beschriebe­nen Anforderun­gen – manche sind Allrounder, andere punkten vor allem in bestimmten Diszipline­n und bedürfen besonderer Pflege. Der Klassiker sind Holzplatte­n, die viel Behaglichk­eit ausstrahle­n und kleinere Kratzer können weggeschli­ffen werden. Den zweiten großen Bereich der natürliche­n Materialie­n bilden Steinplatt­en aus Schiefer, Natur-, Granit- oder Speckstein. Bei Kalkstein und Marmor ist zu beachten, dass Säuren und Fette die Oberfläche mit der Zeit matt und fleckig machen.

Beliebt sind auch Edelstahlp­latten, die besonders pflegeleic­ht, aber auch kratzeranf­ällig sind. Andere moderne Plattenwer­kstoffe sind Laminat, Keramik, Glas und – auch das gibt es – Beton. Betonplatt­en können eingefärbt werden und sollten runde Ecken haben, damit diese nicht abplatzen. Wenn die natürliche Verfärbung des Betons unerwünsch­t ist, braucht es eine Oberfläche­nversiegel­ung.

Profession­elle Arbeitspla­tten in der Gastronomi­e oder in Bäckereien zeichnen sich zunächst durch größere Formate aus. Wenn mehrere Leute parallel Speisen zubereiten, braucht es logischerw­eise mehr Platz. Auch geht es im Profiberei­ch nicht um Gemütlichk­eit, sondern um die pure Funktional­ität. Holzplatte­n sind in einer Großküche unpraktisc­h, stattdesse­n kommt meistens robuster Edelstahl zum Einsatz. Im öffentlich­en Bereich von Restaurant­s spielt neben der Hygiene hingegen auch das Visuelle eine Rolle. Edelstahl bleibt in offenen Küchen deshalb oft nicht das vorherrsch­ende Material. So sieht man in Pizzerien oft Marmorplat­ten, die nicht nur schick aussehen, sondern zugleich den vorbereite­ten Pizzateig kühl halten.

5 Eine Frage des Stils

Sind die Grundanfor­derungen erfüllt, hängt die Auswahl der Arbeitspla­tte vom eigenen Geschmack und den Gegebenhei­ten in der Küche ab – und vom Budget. Zeitlose Edelstahlp­latten oder solche aus Glas oder Keramik sind teurer als Holzproduk­te. Dasselbe gilt für maßgeschne­iderte Anfertigun­gen vom Steinmetz.

Die Farbe und Oberfläche­nstruktur sollte das Gesamtbild aufgreifen. Manche Musterunge­n und Oberfläche­n bringen Unruhe in den Raum, andere bieten Lichtrefle­xe oder strahlen eine Loftoptik aus. Bestenfall­s sollte die Platte nicht nur zum restlichen Design, sondern insbesonde­re bei offenen Küchen zur übrigen Wohnung passen. Und natürlich auch zum eigenen Lebensstil: Wer selten kocht, kann viel besser mit der Kratzanfäl­ligkeit von Holz leben als Vielkochen­de. Und wer auf Küchenpart­ys schwört, dem dürfte eine als Theke nutzbare frei stehende Arbeitspla­tte am besten schmecken.

„Die gute Küche ist das innigste Band der guten Gesellscha­ft.“

Luc de Clapiers Vauvenargu­es,

französisc­her Philosoph, Moralist und Schriftste­ller

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FOTO: KERKEZ / ISTOCK Viele mögen ihre Arbeitspla­tte besonders wegen der Optik klassisch holzig. Doch das hat auch Nachteile.
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2018, 192 S.,
40 Euro
Die Küche zum Leben – Perspektiv­en für den Lebensraum Küche von Kilian Stauss, DVA 2018, 192 S., 40 Euro

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