Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Mach dir keine Platte
Arbeitsplatten in der Küche sollen nicht nur kratzfest und fleckenresistent sein, sondern vor allem gut aussehen
Was der Duden schnöde als „Platte zum Verrichten von (Küchen-)Arbeiten“definiert, ist viel mehr als das. Gefühlt sind Küchenarbeitsplatten heute sogar gefragter denn je: Zum einen schreitet der Rückzug ins Private fort, wobei die Einrichtung als Persönlichkeitsausdruck und nicht nur als Mittel zum Zweck aufgefasst wird. Zum anderen tangiert der Trend zu bewusster Ernährung natürlich das Küchendesign und somit Arbeitsplatten, zumal das Selberkochen heute ausgiebig zelebriert wird. Und so stellt sich wohl häufiger die Frage, welche Platte es sein soll: eine aus Holz, Stein oder Edelstahl, eine maßgeschneiderte oder die Komplettlösung?
1 Von der Feuerstelle zum Design
Ursprünglich hatte die Nahrungsaufnahme der Menschen nichts mit Kochen zu tun – und freilich auch nichts mit Kulturerfindungen wie Arbeitsplatten. Stattdessen ging es buchstäblich ums nackte Überleben. Die Frühform heutiger Küchen als Orte sozialer Interaktion waren die ersten Feuerstellen, um die herum gegessen wurde. In den ersten Siedlungen verbaute man zunächst Holz und Stein und vor allem im antiken Rom viel Marmor. Wie für alle Wohnbereiche brachte die Massenfertigung der Industrialisierung etliche Küchennormen und -standards hervor. Heute geht es wieder mehr darum, die Funktionalität der Platte mit individuellem Design zu verbinden.
2 Robuste Oberflächen
Die Anforderungen an eine solide Arbeitsplatte ergeben sich aus ihrem Zweck als Abstell- und Kochfläche. Materialien, die Schadstoffe absondern oder leicht entflammbar sind, scheiden von vornherein aus: Eine Kartonarbeitsplatte taugt höchstens für einen Sketch. Wichtig ist die Wasserfestigkeit: Spritzer aus Spülbecken, das Verschütten von Flüssigkeiten, darunter Säuren, und Wasserdampf vom Kochen oder aus der Spülmaschine beanspruchen die Platte. Bestimmte Stoffe bringen die Anforderungen von Natur aus mit, andere werden mit Öl oder Wachs imprägniert.
Außerdem sollten Arbeitsplatten kratzfest sein, damit sie dem Verschieben von Töpfen oder abgerutschten Messern standhalten. Kratzer sind nicht nur unschön, sondern auch eine Keimstätte für Bakterien. Deswegen sollte die Platte zudem pflegeleicht sein. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Hitzebeständigkeit: Bei Holzplatten ist ein Untersetzer nötig, solche aus Edelstahl können Heißes ohne Unterlage ab.
3 Fachgerechte Montage
Eine Arbeitsplatte soll nicht in der Mitte durchhängen, sich verformen oder wackeln. Zudem sollte sie in einer angenehmen Höhe montiert sein. Allgemein gelten 92 Zentimeter als gute Arbeitshöhe, bei besonders kleinen oder großen Menschen weicht das Maß ab.
4 Holzig bis edel
Verschiedene Materialien erfüllen die beschriebenen Anforderungen – manche sind Allrounder, andere punkten vor allem in bestimmten Disziplinen und bedürfen besonderer Pflege. Der Klassiker sind Holzplatten, die viel Behaglichkeit ausstrahlen und kleinere Kratzer können weggeschliffen werden. Den zweiten großen Bereich der natürlichen Materialien bilden Steinplatten aus Schiefer, Natur-, Granit- oder Speckstein. Bei Kalkstein und Marmor ist zu beachten, dass Säuren und Fette die Oberfläche mit der Zeit matt und fleckig machen.
Beliebt sind auch Edelstahlplatten, die besonders pflegeleicht, aber auch kratzeranfällig sind. Andere moderne Plattenwerkstoffe sind Laminat, Keramik, Glas und – auch das gibt es – Beton. Betonplatten können eingefärbt werden und sollten runde Ecken haben, damit diese nicht abplatzen. Wenn die natürliche Verfärbung des Betons unerwünscht ist, braucht es eine Oberflächenversiegelung.
Professionelle Arbeitsplatten in der Gastronomie oder in Bäckereien zeichnen sich zunächst durch größere Formate aus. Wenn mehrere Leute parallel Speisen zubereiten, braucht es logischerweise mehr Platz. Auch geht es im Profibereich nicht um Gemütlichkeit, sondern um die pure Funktionalität. Holzplatten sind in einer Großküche unpraktisch, stattdessen kommt meistens robuster Edelstahl zum Einsatz. Im öffentlichen Bereich von Restaurants spielt neben der Hygiene hingegen auch das Visuelle eine Rolle. Edelstahl bleibt in offenen Küchen deshalb oft nicht das vorherrschende Material. So sieht man in Pizzerien oft Marmorplatten, die nicht nur schick aussehen, sondern zugleich den vorbereiteten Pizzateig kühl halten.
5 Eine Frage des Stils
Sind die Grundanforderungen erfüllt, hängt die Auswahl der Arbeitsplatte vom eigenen Geschmack und den Gegebenheiten in der Küche ab – und vom Budget. Zeitlose Edelstahlplatten oder solche aus Glas oder Keramik sind teurer als Holzprodukte. Dasselbe gilt für maßgeschneiderte Anfertigungen vom Steinmetz.
Die Farbe und Oberflächenstruktur sollte das Gesamtbild aufgreifen. Manche Musterungen und Oberflächen bringen Unruhe in den Raum, andere bieten Lichtreflexe oder strahlen eine Loftoptik aus. Bestenfalls sollte die Platte nicht nur zum restlichen Design, sondern insbesondere bei offenen Küchen zur übrigen Wohnung passen. Und natürlich auch zum eigenen Lebensstil: Wer selten kocht, kann viel besser mit der Kratzanfälligkeit von Holz leben als Vielkochende. Und wer auf Küchenpartys schwört, dem dürfte eine als Theke nutzbare frei stehende Arbeitsplatte am besten schmecken.
„Die gute Küche ist das innigste Band der guten Gesellschaft.“
Luc de Clapiers Vauvenargues,
französischer Philosoph, Moralist und Schriftsteller