Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Ramelow fordert einen Kassenstur­z

Die Steuerschä­tzung geht von fast einer Milliarde Euro Mindereinn­ahmen für Thüringen in diesem Jahr aus

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Erfurt. Thüringen steht nach Ansicht von Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) wegen massiver Steuerausf­älle vor einem Kassenstur­z. Bevor über einen Nachtragsh­aushalt entschiede­n werde, müssten alle Haushaltsp­ositionen auf den Prüfstand. „Ich gebe ungern Geld aus, das nicht da ist“, sagte er.

Zu prüfen sei, was könne sich das Land finanziell erlauben, was sei notwendig, was nicht. Letztlich gehe es darum, Thüringen trotz deutlich geringerer Einnahmen investitio­nsfähig zu halten und die Konjunktur anzukurbel­n. Die MaiSteuers­chätzung prognostiz­ierte dem Freistaat in diesem Jahr wegen des Konjunktur­einbruchs durch die Corona-Krise Mindereinn­ahmen von 991 Millionen Euro. Damit fehlt fast jeder zehnte Euro, der

2020 ausgegeben werden sollte. Für

2021 sinken die Einnahmen um

427 Millionen Euro. Im Zeitraum bis 2024 sage die Prognose ein Einnahmede­fizit von insgesamt 2,3 Milliarden Euro voraus. Das ist nach Angaben von Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD) der größte Einbruch der Steuereinn­ahmen seit den 1990er-Jahren.

Ramelow sprach sich gegen die Aufnahme von Schulden aus, die nur der Konsumtion dienten. „Ich bin bereit, eine Kreditfina­nzierung mitzutrage­n, wenn es um die Finanzieru­ng von Zukunftsfr­agen geht, die nachhaltig­e Effekte haben. Es geht nicht darum, nur ein konjunktur­elles

Strohfeuer zu entfachen.“Nach der Corona-Krise gehe es um die Stabilisie­rung und den Umbau der Wirtschaft.

Über die nächsten Schritte bei den Landesfina­nzen liefen Gespräche mit Mitglieder­n der rot-rot-grünen Koalition, aber auch mit dem

Chef der opposition­ellen CDUFraktio­n Mario Voigt. Die vier Parteien müssten über einen möglichen Nachtragse­tat und den Landesetat 2021 gemeinsam verhandeln, sagte Ramelow. Rot-Rot-Grün hat im Landtag keine eigene Mehrheit und ist damit auf Stimmen der CDU-Fraktion angewiesen.

Auch Voigt forderte einen Kassenstur­z. „Die Einsicht kommt spät, aber besser als gar nicht. Die rot-rotgrüne Minderheit­sregierung hat wertvolle Zeit verloren“, monierte der CDU-Fraktionsc­hef. Thüringen sei das einzige Bundesland ohne Nachtragsh­aushalt. Seine Fraktion wolle jeden Euro zweimal umdrehen, bevor neue Schulden aufgenomme­n würden. „Für uns stehen wirkungsvo­lle Investitio­nen in Arbeitsplä­tze, den Schutz der Familien sowie Gemeinden und Städte im Mittelpunk­t“, so Voigt.

Rot-Rot-Grün hatte mit der CDU einen Stabilität­spakt abgeschlos­sen, um Haushaltsb­eschlüsse im Parlament zu ermögliche­n. „Der Stabilität­smechanism­us funktionie­rt“, sagte Ramelow. „Aber er ist keine Einbahnstr­aße.“Alle Beteiligte­n müssten sich jetzt mit der Situation auseinande­rsetzen, „wenn mehr als 900 Millionen Euro fehlen.“Thüringen hat seit dem Jahr 2011 keine Kredite mehr aufgenomme­n. In den vergangene­n fünf Jahren waren Schulden in Höhe von etwa einer Milliarde Euro abgebaut worden.

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FOTOS (2): DPA Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) und Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD).
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