Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Trumps Wahlkampf-Auftakt wird zum Reinfall
Vor leeren Sitzen wettert der US-Präsident gegen die Demokraten. In Washington schlägt der Rausschmiss eines Anwalts Wellen
Washington. Das Bild, das Donald Trump am Sonntagmorgen nach seiner Rückkehr aus Oklahoma in Washington abgab, sprach Bände. Die rote Seiden-Krawatte – bei seiner Rede noch streng gebunden – wie nach einem ausgeuferten Zechgelage gelockert, das gleichfarbige „Make Amerika Great Again“-Käppi in der linken Hand fast zerknüllt, die Miene eingefroren. Der erste große Wahlkampfauftritt nach dreimonatiger Corona-Zwangspause des US-Präsidenten in Tulsa, er war ein kolossaler Reinfall.
Der Mann, der sich rühmt, noch jede Rallye bis auf den letzten Platz ausverkauft zu haben, trat in der 19.000 Menschen fassenden Arena vor Tausenden leeren Sitzschalen auf. Dabei hatte sein WahlkampfTeam von über einer Million Vorbestellungen gesprochen. Trump war die Irritation über den Liebesentzug seiner Anhänger zu Beginn seiner Rede anzumerken. Er wirkte gehemmt, brauchte länger als sonst, um sich und den Saal, in dem nur wenige Atemschutzmasken trugen, auf Temperatur zu reden.
Trump führte den Zuschauermangel
darauf zurück, dass linke Gegendemonstranten viele Anhänger abgeschreckt hätten. Dass zuletzt Hunderte Teenager über soziale Medien Zigtausende kostenlose Tickets erwarben, nur um Trump zu foppen, war dem 74-Jährigen und seinem Wahlkampf-Manager Brad Parscale offenbar entgangen.
Lokaljournalisten aus Tulsa berichteten, dass „gesundheitliche Risiko-Abwägungen“
eine größere Rolle für das auffällige Fernbleiben gespielt haben könnten. Die Behörden warnten bis zuletzt inständig vor einem erhöhten Ansteckungsrisiko auf der Trump-Veranstaltung.
Trump bekümmert das nicht. Für ihn sind Corona-Tests ein „zweischneidiges Schwert“. Wer viel teste, finde auch „mehr Fälle“, sagte Trump, „also habe ich meinen Leuten
gesagt: Senkt das Tempo bei den Tests.“Wissenschaftler reagierten ungehalten. Das Weiße Haus versuchte zu glätten: Trump habe einen „Scherz“gemacht.
In seinem Vortrag konzentrierte sich Trump auf Angstmacherei vor einem Wahlsieg der Demokraten. Seinen Widersacher Joe Biden bezeichnete er als „Marionette Chinas“und „trojanisches Pferd“für die radikale Linke in der Demokratischen Partei. In Umfragen spiegeln sich diese Befürchtungen nicht wider. Biden kann auf bis zu 14 Prozentpunkte Vorsprung verweisen. Trumps Zustimmungswerte sind dagegen so schlecht wie nie – deutlich unter 40 Prozent.
Inmitten einer alles andere als ausgestandenen Pandemie, die bisher fast 120.000 Tote und über 40 Millionen Arbeitslose nach sich zog, stilisierte sich Trump als das eigentliche Opfer. Seine Regierungsbilanz werde nicht angemessen gewürdigt, klagte er immer wieder. Über die von Polizisten getöteten Afro-Amerikaner George Floyd in Minneapolis und Rayshard Brooks in Atlanta, die landesweit das breiteste gesamtgesellschaftliche Aufbegehren gegen Rassismus und Polizeibrutalität seit 40 Jahren auslösten, verlor Trump kein Wort.
Zurück in Washington muss sich Trump mit einer hausgemachten Krise beschäftigen. Gemeinsam mit Justizminister William Barr ließ Trump Amerikas prominentesten Ankläger entlassen: Geoffrey Berman. Der Chef der Bundesanwälte im „Southern District of New York“, sprich Manhattan, und sein Team ermittelten zuletzt in Trumps Umfeld und hatten auch die staatliche Halkbank in der Türkei wegen Betrugs, Geldwäsche und der Umgehung von Iran-Sanktionen am Wickel. Im neuen Buch von Trumps ehemaligem Nationalen Sicherheitsberater John Bolton findet sich dazu dies: Trump habe dem türkischen Präsidenten Erdogan versprochen, die Staatsanwälte im Fall Halkbank auszutauschen.
Die Demokraten im Kongress sehen darin einen diktatorischen Eingriff Trumps in die Unabhängigkeit der Justiz. James Comey, der ehemalige Chef des FBI, erinnerte daran, dass Berman Republikaner ist und von ihm, Trump, persönlich ausgesucht worden war. Comey: „Etwas stinkt hier.“
„Etwas stinkt hier.“James Comey, ehemaliger Chef der Bundespolizei FBI, über den Rauswurf des Chefs der Bundesanwälte in Manhattan, Geoffrey Berman