Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Magister Hölderlin im Jenaer „Club der Professore­n“

Der mit so großen Hoffnungen verbundene Aufenthalt im Umfeld großer Geister endet jäh nach einem illegalen Studentena­ufstand

- Dr. Hans-Dieter Mück, Utenbach/Apolda

Ergänzend zur bisherigen Berichters­tattung im Hölderlin-Jahr schreibt ein Leser:

Als Friedrich Hölderlin (17701843) am 1. November 1794 als Hofmeister des zehnjährig­en Fritz von Kalb nach Jena kam und in Johann Gottfried Voigts Gartenhaus (Zwätzengas­se 9) mit seinem Zögling Unterkunft fand, lehrte Friedrich Schiller schon mehrere Jahre nicht mehr Geschichte an der Universitä­t der Saalestadt. Hölderlin, der im Tübinger Stift zum Philosophe­n und Theologen ausgebilde­te Lyriker und Verfasser des Briefroman­s „Hyperion oder Der Eremit in Griechenla­nd“, wollte in Jena die Vorlesunge­n von Johann Gottlieb Fichte hören ‒ weshalb er Mitte Januar 1795 ein Zimmer neben Fichtes Haus (Unterm Markt 12 a) bezog, um dort dessen abendliche Kollegien besuchen zu können.

Außer mit seinen Landsleute­n, den Professore­n Friedrich Immanuel Niethammer und Heinrich Eberhard

Gottlob Paulus ‒ sowie mit seinem Impresario Schiller, der damals noch im sogenannte­n Professore­nhaus (Unterm Markt 1) wohnte ‒, verkehrte der 24-jährige Magister

Hölderlin im „Club der Professore­n“und in der „Gesellscha­ft der freien Männer“. Aber er pflegte auch engste Kontakte mit den Schriftste­llerinnen Sophie Mereau (1770 –1806) aus Altenburg und mit Friederike Brun (1765–1835) aus Gräfentonn­a, einer in Kopenhagen lebenden vierfachen Mutter, die ihn auf der Stelle als Hofmeister engagieren wollte.

Zum Dichten kam er in den Monaten bis Ende Mai 1795 deshalb nur sporadisch (überliefer­t ist nur eine kurze metrische Fassung des „Hyperion“-Fragments) ‒ aber Hölderlin genoss (ab April 1795) die Aussicht aus dem am Jenzig gemieteten Gartenhaus „im Schillings­chen Garten oberhalb vom Brükenthor“auf das Saaletal. Am 15. Mai 1795 trug er sich ins Matrikelbu­ch

der Universitä­t Jena ein: um sich „wahrschein­lich nächsten Herbst hier [in Philosophi­e] examiniren zu lassen“(13. April 1795), um anschließe­nd eine Stelle als a.o. Professor antreten zu können.

Aber am 27. Mai 1795 nahm der „Republikan­er im Geist“, Hölderlin, mit seinem Freund Isaak von Sinclair (1775 - 1815) an einem vom „Orden der Harmoniste­n“(auch: „Orden der Schwarzen Brüder“) organisier­ten illegalen Studentena­ufstand teil und geriet dadurch ins Fadenkreuz der Weimarer Regierung. Da ihm der Ausschluss aus der Universitä­t drohte, packte Hölderlin in den letzten Tagen des Mai 1795 überstürzt seinen Tornister und floh aus Jena ‒ ohne sich von Schiller verabschie­det zu haben. Er nahm bei seinen „Tagesreise­n zu 8 Stunden“

nicht den kürzesten Weg über Bayreuth, sondern er musste einen „beträchtli­chen Umweg über Meinigen“(!) machen ‒ weil er seiner hoch schwangere­n Freundin, Wilhelmine Marianne Kirms (17721840), dort noch rund 100 Gulden für die Geburt seiner uneheliche­n Tochter Louise Agnese Kirms als „Schmerzens­geld“bezahlen musste.

Obwohl Hölderlin das „miserable Essen in Jena Magenkrämp­fe verursacht­e“(16. Januar 1795), wünschte er noch im September 1799 in Homburg vor der Höhe, sich im Sommerseme­ster 1800 „durch Privatvorl­esungen in Jena zu erhalten“, und von dort aus sein Journal „Iduna“herauszuge­ben …

 ?? FOTO: MARIJAN MURAT / DPA ?? Friedrich Hölderlin: Diese Skulptur, die der Künstler Waldemar Schröder schuf, steht in Hölderlins Heimatstad­t Nürtingen.
FOTO: MARIJAN MURAT / DPA Friedrich Hölderlin: Diese Skulptur, die der Künstler Waldemar Schröder schuf, steht in Hölderlins Heimatstad­t Nürtingen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany