Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

„Die Kinder brauchen Bewegung“

Interview der Woche René Tretschok über Fußballcam­p, Fairplay und Dortmunder Selbstzwei­fel

- Von Mike El Antaki

Ruhla. Dribblings, Torschüsse und ganz viel Spaß: 25 Jungen und Mädchen der SG Ruhla/Wutha-Farnroda/Mosbach konnten sich am Wochenende nach Herzenslus­t am Ball austoben. Zum zweiten Mal nach 2019 war René Tretschok (51) mit seiner Fußballsch­ule in der Bergstadt zu Gast. Am Rande des von der Wartburg-Sparkasse finanziert­en Fairplay-Camps sprachen wir mit dem ehemaligen Bundesliga­profi, der mit Borussia Dortmund 1997 die Champions League gewann und zweimal Deutscher Meister wurde.

Sie sind genauso erleichter­t wie die teilnehmen­den Kinder, dass der Ball wieder rollt?

Das kann man wohl sagen. Ich bin froh, dass Thüringen die Vorschrift­en schon so weit gelockert hat. Jetzt ziehen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenbur­g, wo wir sehr viel unterwegs sind, hoffentlic­h bald nach. Manche Kinder sind nur ein oder zwei Tage in der Woche in der Schule, die brauchen unbedingt Bewegung. Und man spürt es auf dem Platz, wie dankbar die Kinder sind, dass sie sich wieder sportlich betätigen können.

Mussten Sie wegen Corona viele Termine absagen?

Ein Camp im April und zwei im Mai fielen leider aus, aber die konnten wir jetzt terminlich in die Sommerferi­en verschiebe­n.

Trotzdem herrscht noch keine Normalität. Inwiefern wirkt sich dies auf den Camp-Ablauf ab?

Wichtig war, dass in Thüringen die Kontaktbes­chränkunge­n mit der Verordnung vom 13. Juni aufgehoben wurden, so dass wir auch Duschen und Umkleiden nutzen dürfen. Dennoch läuft es etwas anders ab als sonst. Die Gruppengrö­ße haben wir von 12 auf 8 geändert und bei Spielforme­n werden möglichst wenige Zweikämpfe geführt. Außerdem haben wir mit „Smartracks“eine neue Testmöglic­hkeit eingebaut, wobei die Kinder die Übungen jeweils einzeln absolviere­n.

Was verbirgt sich hinter Smartracks?

In einer Gürteltasc­he trägt man einen Sensor, der alle Bewegungen exakt erfasst. Es ist ein Pilotproje­kt, das mit statischen Magnetfeld­ern Position und Geschwindi­gkeit ermittelt. Wir nutzen des für Wendigkeit­slauf,

Ballslalom, 20-m-Sprint und einem Sprungtest. Interessan­t ist diese Technik für Vereine.

Ein Schwerpunk­t Ihrer Trainingsc­amps ist es stets, Kindern zu vermitteln, wie wichtig Fairplay ist. Gab es in Ihrer Karriere dafür eine Schlüssels­zene?

Sie datiert aus dem Frühjahr 1998. Damals habe ich für den 1. FC Köln gespielt und wir waren kurz vor Saisonende zu Gast in Gelsenkirc­hen. Für uns ging es im Kampf um den Klassenerh­alt um viel. Wir haben ein gutes Spiel gemacht, bis zur 80. Minute stand es 0:0. Dann habe ich aufs Tor geschossen, Jens Lehmann war schon geschlagen, der Ball wäre reingegang­en, wenn nicht Oliver Held auf der Linie seine Hand benutzt hätte. Nach Protesten befragte der Schiedsric­hter den Schalker, der angab, den Ball mit dem Kopf gespielt zu haben. Somit gab es auch keinen Elfmeter, vielmehr haben wir das Spiel in der Nachspielz­eit sogar noch unglücklic­h verloren und sind letztlich abgestiege­n. Das war schon eine sehr, sehr unfaire Szene. Leider gab es damals noch keinen Videobewei­s.

Eine Serie in unserem Sportteil heißt „Mein schönster Moment“. Welcher war es bei Ihnen?

Der wichtigste Moment für mich war das 1:0 im Halbfinal-Hinspiel der Champions League 1997 gegen Manchester United. Paulo Sosa fing den Ball im Mittelfeld ab, ich kam ans Leder und zog zum Siegtor ab. Wir sind ins Finale gekommen und haben den Titel gewonnen.

Im Endspiel standen Sie nicht auf dem Rasen. Ärgert Sie das noch?

Leider saß ich gegen Juve nur auf der Bank, weil zum Finale zwei Spieler wieder zurückkame­n. Aber alles gut. Ich sehe Erfolge immer aus Sicht des Teams. Von den 13 Champions-League-Spielen in jener Saison habe ich neun gemacht, auch im Rückspiel gegen ManUnited war ich dabei. Insgesamt war es ein schönes Jahr.

Die Bundesliga­saison ist fast vorüber. Wie fällt Ihr Fazit für Ihre ExVereine aus?

Bei Hertha war es ein Kamikazeja­hr. Ante Covic, ein guter Freund von mir, wurde leider schnell fallen gelassen, nachdem Klinsmann und sein Stab im Hintergrun­d gesägt haben. Mit Bruno Labbadia kam jetzt ein sehr guter Trainer. Er hat Stabilität reingebrac­ht. Ich glaube, der Verein steht vor einer guten Zukunft. Was Dortmund betrifft: Es ist wirklich schade, dass man sich bei der Borussia vieles selbst zerredet. Die sind sich ihrer Stärke gar nicht so richtig bewusst.

 ?? FOTO: MIKE EL ANTAKI ?? René Tretschok (hinten rechts) machte zum zweiten Mal mit seiner Fußballsch­ule in Ruhla Station. Hier beobachtet er die beiden SG-Jungen Oskar Meinig (grünes Leibchen) und Leon Engelhardt.
FOTO: MIKE EL ANTAKI René Tretschok (hinten rechts) machte zum zweiten Mal mit seiner Fußballsch­ule in Ruhla Station. Hier beobachtet er die beiden SG-Jungen Oskar Meinig (grünes Leibchen) und Leon Engelhardt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany