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Ein zweiter Corona-Ausbruch in Peking sorgt weltweit für Unruhe. Machen Mutationen Sars-CoV-2 noch gefährlicher?
Berlin. Mehr als 220 Ansteckungen mit dem Coronavirus konnten binnen neun Tagen nachgewiesen werden – zuvor zwei Monate lang gar keine. Peking erlebt derzeit eine zweite Welle, wobei alle Infektionen mit Sars-CoV-2 zu einem Frischmarkt hätten zurückverfolgt werden können, erklärten die Behörden.
Doch der erneute Ausbruch des Coronavirus versetzt längst nicht nur die chinesische Regierung in Alarmbereitschaft, sondern bereitet Wissenschaftlern weltweit Sorge. Auch deshalb, weil sich die Infizierten vermutlich mit einer mutierten Variante des Coronavirus angesteckt haben. Eine Untersuchung von Forscherinnen und Forschern um Lizhou Zhang vom US-amerikanischen Scripps Research Institute jedenfalls deutet darauf hin, dass jene Mutation, die nun in Peking nachgewiesen wurde, das Virus ansteckender macht. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Woher kommt der neue Erregerstamm?
Nachdem die Erbgut-Sequenz dieser Virusvariante der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Wissenschaftlern in aller Welt zur Verfügung gestellt wurde, deuten nun erste Analysen darauf hin, dass der Virenstamm „aus Europa gekommen“ist, erklärte Zhang Yong von der chinesischen Seuchenkontrollzentren.
Seit Tagen werden in Peking Massentests durchgeführt.
behörde in einem Bericht. Der Virenstamm ist allerdings „älter als das Virus, das derzeit in Europa zirkuliert“, sagt Zhang. Ben Cowling, Professor für öffentliche Gesundheit an der Universität Hongkong, sagte der Nachrichtenagentur AFP, es ist „möglich, dass das Virus, das nun den Ausbruch in Peking verursacht, von Wuhan nach Europa und nun zurück nach China gereist ist“.
Warum mutiert ein Virus?
„Was wir bei Sars-CoV-2 beobachten, ist Evolution im Zeitraffer und nichts Besonderes“, sagt Andreas Bergthaler, Leiter des Projektes „Mutationsdynamik von Sars-CoV2“in Österreich. Viren mutierten ständig, das sei ein völlig normaler Prozess. Die Mutationen würden ihnen helfen, sich an ihren Wirt anzupassen. Bei Mutationen handelt es sich um Veränderungen im Erbgut, die bei jedem Lebewesen und jeder Zellteilung stattfinden können, so die Hermann-von-Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungs
Sie sind ein Zufallsprodukt und entstehen, wenn beim Kopieren der Erbinformation Fehler auftreten. Dieser Vorgang kann sogar dazu führen, dass ganze Gene entfernt werden. Auch Grippeviren verändern sich immer wieder. Der Impfstoff muss deshalb jährlich angepasst und neu entwickelt werden.
Wie schnell mutiert Sars-CoV-2 ?
Auch wenn das neuartige Coronavirus dazu neigt, seine genetische Ausstattung leicht zu verändern, mutiert es etwas langsamer als beispielsweise das Grippevirus. Das bestätigte Lan Ke, Direktor des führenden staatlichen Labors für Virologie in Wuhan, kürzlich gegenüber „China Science Daily“. Laut einem Bericht von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Lucy van Dorp vom University College London deuten die bislang entdeckten Mutationen des Coronavirus zudem auf deren rasche Anpassungsfähigkeit an den Wirt hin.
Wird das Virus durch Mutation gefährlicher?
Nicht unbedingt. Virologe Hendrik Streeck von der Universität Bonn geht davon aus, dass sich das Virus zwar so entwickelt, dass es dem Immunsystem weniger Angriffsfläche bietet – andererseits aber auch schwächer wird. Das zeige auch die Evolution anderer bekannter Viren, so der Wissenschaftler in der ZDFTalkshow „Markus Lanz“. Zudem könne das Virus durch Mutationen auch so schwach werden, dass es gänzlich verschwinde, sagt Friedemann Weber, Direktor des Instituts für Virologie an der Justus-LiebigUniversität Gießen. Beim ersten Auftreten des Sars-CoV-Erregers 2003 war das der Fall. „Sars-CoV-2 ist ohnehin schon so gut an seine Wirte angepasst, da gibt es nicht mehr so viel Luft nach oben für Verbesserungen“, glaubt Weber.
Schadet es Viren, wenn sie durch Mutation aggressiver werden?
Die Ansicht, dass es dem Virus schadet, tödlicher oder aggressiver zu werden, weil es dadurch seine eigene Verbreitung erschwert, teilen viele Forscherinnen und Forscher. Viren wären stattdessen bemüht, ihren Wirt möglichst lange zur Reproduktion zu nutzen. Hieße: Je fitter der Infizierte ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass er sich unter anderen Menschen aufhält. Weber widerspricht dem allerdings: „Das Virus interessiert nicht, ob sein Wirt stirbt, solange es sich bis dahin auf möglichst viele weitere Personen verbreiten konnte.“
Wie wirken sich Virus-Mutationen auf die Entwicklung eines Impfstoffs aus?
„Ich glaube nicht, dass es Mutationen geben wird, die einen Impfstoff ineffektiv machen“, sagt Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien an der Universität Basel. Mutationen würden die Wirkung eines bereits entwickelten Impfstoffs in der Regel nicht komplett aufheben. Stattdessen dauere es häufig Jahre, bis ein Serum seine Effektivität verliere.
„Generell ist es so, dass wir an einem ziemlich breit wirksamen Impfstoff arbeiten“, sagt Weber, der gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und Kollegen an der Entwicklung eines Serums gegen das neue Coronavirus forscht. Dabei würden sie freilich auch Mutation berücksichtigen.