Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Täglich 3 x 100 Euro gewinnen

Ein zweiter Corona-Ausbruch in Peking sorgt weltweit für Unruhe. Machen Mutationen Sars-CoV-2 noch gefährlich­er?

- Von Elisabeth Krafft

Berlin. Mehr als 220 Ansteckung­en mit dem Coronaviru­s konnten binnen neun Tagen nachgewies­en werden – zuvor zwei Monate lang gar keine. Peking erlebt derzeit eine zweite Welle, wobei alle Infektione­n mit Sars-CoV-2 zu einem Frischmark­t hätten zurückverf­olgt werden können, erklärten die Behörden.

Doch der erneute Ausbruch des Coronaviru­s versetzt längst nicht nur die chinesisch­e Regierung in Alarmberei­tschaft, sondern bereitet Wissenscha­ftlern weltweit Sorge. Auch deshalb, weil sich die Infizierte­n vermutlich mit einer mutierten Variante des Coronaviru­s angesteckt haben. Eine Untersuchu­ng von Forscherin­nen und Forschern um Lizhou Zhang vom US-amerikanis­chen Scripps Research Institute jedenfalls deutet darauf hin, dass jene Mutation, die nun in Peking nachgewies­en wurde, das Virus ansteckend­er macht. Die wichtigste­n Fragen und Antworten:

Woher kommt der neue Erregersta­mm?

Nachdem die Erbgut-Sequenz dieser Virusvaria­nte der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) und Wissenscha­ftlern in aller Welt zur Verfügung gestellt wurde, deuten nun erste Analysen darauf hin, dass der Virenstamm „aus Europa gekommen“ist, erklärte Zhang Yong von der chinesisch­en Seuchenkon­trollzentr­en.

Seit Tagen werden in Peking Massentest­s durchgefüh­rt.

behörde in einem Bericht. Der Virenstamm ist allerdings „älter als das Virus, das derzeit in Europa zirkuliert“, sagt Zhang. Ben Cowling, Professor für öffentlich­e Gesundheit an der Universitä­t Hongkong, sagte der Nachrichte­nagentur AFP, es ist „möglich, dass das Virus, das nun den Ausbruch in Peking verursacht, von Wuhan nach Europa und nun zurück nach China gereist ist“.

Warum mutiert ein Virus?

„Was wir bei Sars-CoV-2 beobachten, ist Evolution im Zeitraffer und nichts Besonderes“, sagt Andreas Bergthaler, Leiter des Projektes „Mutationsd­ynamik von Sars-CoV2“in Österreich. Viren mutierten ständig, das sei ein völlig normaler Prozess. Die Mutationen würden ihnen helfen, sich an ihren Wirt anzupassen. Bei Mutationen handelt es sich um Veränderun­gen im Erbgut, die bei jedem Lebewesen und jeder Zellteilun­g stattfinde­n können, so die Hermann-von-Helmholtz-Gemeinscha­ft Deutscher Forschungs

Sie sind ein Zufallspro­dukt und entstehen, wenn beim Kopieren der Erbinforma­tion Fehler auftreten. Dieser Vorgang kann sogar dazu führen, dass ganze Gene entfernt werden. Auch Grippevire­n verändern sich immer wieder. Der Impfstoff muss deshalb jährlich angepasst und neu entwickelt werden.

Wie schnell mutiert Sars-CoV-2 ?

Auch wenn das neuartige Coronaviru­s dazu neigt, seine genetische Ausstattun­g leicht zu verändern, mutiert es etwas langsamer als beispielsw­eise das Grippeviru­s. Das bestätigte Lan Ke, Direktor des führenden staatliche­n Labors für Virologie in Wuhan, kürzlich gegenüber „China Science Daily“. Laut einem Bericht von Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftlern um Lucy van Dorp vom University College London deuten die bislang entdeckten Mutationen des Coronaviru­s zudem auf deren rasche Anpassungs­fähigkeit an den Wirt hin.

Wird das Virus durch Mutation gefährlich­er?

Nicht unbedingt. Virologe Hendrik Streeck von der Universitä­t Bonn geht davon aus, dass sich das Virus zwar so entwickelt, dass es dem Immunsyste­m weniger Angriffsfl­äche bietet – anderersei­ts aber auch schwächer wird. Das zeige auch die Evolution anderer bekannter Viren, so der Wissenscha­ftler in der ZDFTalksho­w „Markus Lanz“. Zudem könne das Virus durch Mutationen auch so schwach werden, dass es gänzlich verschwind­e, sagt Friedemann Weber, Direktor des Instituts für Virologie an der Justus-LiebigUniv­ersität Gießen. Beim ersten Auftreten des Sars-CoV-Erregers 2003 war das der Fall. „Sars-CoV-2 ist ohnehin schon so gut an seine Wirte angepasst, da gibt es nicht mehr so viel Luft nach oben für Verbesseru­ngen“, glaubt Weber.

Schadet es Viren, wenn sie durch Mutation aggressive­r werden?

Die Ansicht, dass es dem Virus schadet, tödlicher oder aggressive­r zu werden, weil es dadurch seine eigene Verbreitun­g erschwert, teilen viele Forscherin­nen und Forscher. Viren wären stattdesse­n bemüht, ihren Wirt möglichst lange zur Reprodukti­on zu nutzen. Hieße: Je fitter der Infizierte ist, desto höher die Wahrschein­lichkeit, dass er sich unter anderen Menschen aufhält. Weber widerspric­ht dem allerdings: „Das Virus interessie­rt nicht, ob sein Wirt stirbt, solange es sich bis dahin auf möglichst viele weitere Personen verbreiten konnte.“

Wie wirken sich Virus-Mutationen auf die Entwicklun­g eines Impfstoffs aus?

„Ich glaube nicht, dass es Mutationen geben wird, die einen Impfstoff ineffektiv machen“, sagt Richard Neher, Leiter der Forschungs­gruppe Evolution von Viren und Bakterien an der Universitä­t Basel. Mutationen würden die Wirkung eines bereits entwickelt­en Impfstoffs in der Regel nicht komplett aufheben. Stattdesse­n dauere es häufig Jahre, bis ein Serum seine Effektivit­ät verliere.

„Generell ist es so, dass wir an einem ziemlich breit wirksamen Impfstoff arbeiten“, sagt Weber, der gemeinsam mit internatio­nalen Kolleginne­n und Kollegen an der Entwicklun­g eines Serums gegen das neue Coronaviru­s forscht. Dabei würden sie freilich auch Mutation berücksich­tigen.

 ?? FOTO: ISTOCK ?? Genau wie andere Viren auch, verändert sich das neuartige Coronaviru­s ständig. Das Ergebnis der Mutationen ist ein Zufallspro­dukt der Natur.
FOTO: ISTOCK Genau wie andere Viren auch, verändert sich das neuartige Coronaviru­s ständig. Das Ergebnis der Mutationen ist ein Zufallspro­dukt der Natur.
 ?? FOTO: DPA ??
FOTO: DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany