Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Goldener Schirm im Herzen
Occlutech produziert in Jena Implantate zur Behebung von Herzdefekten
Jena. Es war vor 17 Jahren, als der inzwischen emeritierte Jenaer Universitätsprofessor und Herzspezialist Hans-Reiner Figulla die Idee hatte, ganz besondere Occluder direkt hier in Jena zu entwickeln und herzustellen.
Doch was sind Occluder eigentlich? Tatsächlich dürften die Wenigsten wissen, was sich hinter diesem Fremdwort verbirgt. Um es ganz einfach zu sagen: Ein Occluder ist eine Art Schirmchen, mit dem Herzchirurgen krankhafte Öffnungen in der Vorhofscheidewand des Herzens schließen können. Der Eingriff erfolgt minimalinvasiv und erspart eine Operation am offenen Herzen. Erfunden wurden die Occluder in den 1970-er Jahren durch die beiden Ärzte Terry D. King und Noel I. Mills, die damit völlig neue Entwicklungen in der Kardiologie ermöglichten.
Doch zurück nach Jena. Basierend auf der Idee von Professor Figulla, der damals Leiter des Jenaer Herzzentrums am Universitätsklinikum war, entstand die Firma Occlutech. In enger Zusammenarbeit der Ingenieure von Occlutech und Figulla wurde nach und nach eine völlig neuartige Generation von Occludern entwickelt. Besonders der Einsatz von Nitinoldraht, der über ein sogenanntes Formgedächtnis verfügt, zeichnete diese Occluder von Beginn an aus.
Bei der Implantation wird nun der Occluder durch die Bein-Vene ins Herz und durch die krankhafte Öffnung zwischen den Vorhöfen geführt. Dort werden die Drahtgeflechtschirmchen geöffnet und verschließen so den Herzdefekt.
Ein Occluder halte ein Leben lang, weiß Luis Martin-Parras, Geschäftsführer der Occlutech GmbH, und nimmt eines dieser hilfreichen goldfarbenen Schirmchen in die Hand. Hier sieht man freilich nur das Geflecht. In der weiteren Herstellungsphase wird in das Schirmchen unter Reinraum-Bedingungen eine biokompatible Vliesmembran eingenäht. Seit 2011 habe man damit insgesamt bereits rund 80.000 Patienten versorgt. Man habe sowohl von den Patienten als auch von den Kardiologen ein sehr gutes Echo. „Einzigartig ist, dass diese Occluder nicht mehr nur unter „normalen“Bedingungen, sondern auch bei sehr schwierigen anatomischen oder krankheitsbedingten Verhältnissen zur Anwendung kommen können.“
Heute kommen die Occluder aus Jena fast überall auf der Welt zum Einsatz und helfen Patienten dauerhaft. Dabei habe sich seine Firma auf dem internationalen Markt sehr gut etabliert, betont Martin-Parras. Man liefere mit Hilfe von eigenen Vertriebsniederlassungen und Vertriebsnetzwerken in über 90 Länder. Es sei nicht einfach gewesen, gerade auch gegen die Konkurrenz aus den USA zu bestehen. Aber nun stehe man auch dort vor einem Erfolg: „Wir erwarten für Anfang 2021 auch die Zulassung unserer Produkte in den USA.“Die Occluder werden inzwischen bei Occlutech in der 3. Generation gefertigt. Am Standort Jena sind heute über 100 Mitarbeiter beschäftigt. Weitere Firmenstandorte befinden sich in Istanbul und in Helsingborg.
In Jena ist Geschäftsführer Martin-Parras froh, dass man nach wie vor im Bioinstrumentezentrum am Beutenberg seinen Sitz hat. Schließlich gebe es hier sehr befruchtende Wechselwirkungen mit Klinikum, Universität und High-Tech-Firmen. Man lege auch Wert auf die Zusammenarbeit mit führenden Herzchirurgen in aller Welt Die Erfahrungen aus der klinischen Praxis finden unmittelbaren Eingang in die Arbeit der eigenen Forschung und Entwicklung. So werde man, um den Wachstumskurs fortzusetzen, das Unternehmen ausbauen und die genutzte Fläche im Bioinstrumentezentrum auf 1490 Quadratmeter erweitern und damit verdreifachen.
Ganz klar, so Martin-Parras, brauche man dafür neue Mitarbeiter. Gesucht werden vor allem Experten für die komplizierten Regularien und die aufwendige Qualitätssicherung. Und natürlich Mitarbeiter in der Produktion und in der Qualitätskontrolle. In diesem Bereich habe man auch mit Quereinsteigern, die durch eine firmeninterne Ausbildung speziell geschult werden, sehr gute Erfahrungen gemacht. Feinmotorische Fähigkeiten sollte man aber auf jeden Fall mitbringen.