Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Fragwürdige Auswärtstore
Nun ist endgültig Stille in den Stadien. Die letzte Entscheidung im letzten Spiel der Geisterspielsaison ist gefallen. In letzter Sekunde, in allerletzter.
Immerhin: Die Relegation um Unter- wie Oberhaus hat dem Fußball die Dramatik zurückgegeben, die ihm in den klinisch reinen, zuschauerfreien Arenen dieses Frühjahrs abhandengekommen war.
So war es in dieser Spielzeit wie in den vergangenen. Den Thrill bezogen die deutschen Ligen aus dem Kampf gegen den Abstieg. Nirgends wirkt dieser so elementar wie in der Relegation, in der Wohl und Wehe auf zwei mal neunzig Minuten verdichtet werden. So sehr, dass selbst der Unbeteiligte sich dem Leiden nicht entziehen kann. Niemals sonst wird es so existenziell wie hier, wo an einer einzigen Szene ganze Vereinsschicksale hängen.
Mit Bremen und Nürnberg setzten sich die Overdogs durch, doch einen Sieger gab es im Grunde nicht. 2:2 zwischen Bremen und Heidenheim, 3:3 zwischen Nürnberg und Ingolstadt. Allein der Auswärtstorregel verdanken die Höherklassigen ihre Rettung.
Darüber freilich hätte man in Zeiten von Geisterspielen noch einmal nachdenken können. Die leeren Stadien haben den Heimvorteil aufgeweicht, entsprechend ist der Auswärtsnachteil kleiner geworden – und mit ihm der Wert des Auswärtstores. Es wäre sogar ein Anlass, die fragliche Regel generell abzuschaffen. Weil in einer möglichen Verlängerung, also dann, wenn die Zeit unerbittlich herunter tickt wie eine Lebensuhr, die Auswärtsmannschaft seit jeher einen fast exorbitanten Vorteil besitzt.
Ein drittes Spiel beim Stand von pari pari wäre gerechter. Oder wenigstens ein finales Elfmeterschießen (bei dem Auswärtstore ja auch nicht doppelt zählen). Alles besser als eine fragwürdige Mathematik, bei der drei nicht gleich drei ist.
„Wir müssen uns beim Fußball-Gott bedanken, dass er uns nochmal die Hand gereicht hat.“Michael Wiesinger, Nürnbergs Trainer