Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

„Erfurt ohne Rot-Weiß kann und will ich mir nicht vorstellen“

Grabenkämp­fe, Intranspar­enz und ein abgekartet­es Spiel: Club-Legende Ronny Hebestreit spricht vor der heutigen Freigabe-Verhandlun­g Klartext

- Von Marco Alles

Erfurt. An diesem Montag wird bei der Verhandlun­g mit Insolvenzv­erwalter Volker Reinhardt über die Freigabe der sportliche­n Geschäftsb­ereiche wohl die Zukunft des FC Rot-Weiß Erfurt entschiede­n. Club-Legende Ronny Hebestreit (45) schwankt zwischen Skepsis und Zweckoptim­ismus.

Mit welchem Gefühl blicken Sie der Zusammenku­nft entgegen?

Mit gemischten Gefühlen. Wir sind ja mit der Absage am Donnerstag zum x-ten Male enttäuscht worden. Wie so viele Menschen, die den Verein lieben, fühle ich mich vom Insolvenzv­erwalter einfach nur hingehalte­n. Immer wieder werden wir vertröstet. Einerseits fehlt mir der Glaube, dass plötzlich ein Investor aufgetauch­t sein soll. Anderersei­ts kann und will ich mir Erfurt nicht ohne Rot-Weiß vorstellen.

Wie groß beziffern Sie die Chancen, dass der Club ab Mitte August in der Oberliga spielt?

Vom Bauchgefüh­l her würde ich sagen: Sie liegen vielleicht bei 30 Prozent. Eigentlich ist es jetzt schon zu spät. In gut vier Wochen soll die Saison beginnen. Es gibt keinen Trainer, keine Mannschaft Das wird – selbst wenn am Montag alles glatt laufen sollte – eine Mammutaufg­abe.

Ich verstehe nicht, warum man sich in den letzten Monaten so viel Zeit gelassen hat.

Ein Vorwurf an Reinhardt?

Ja. Ich habe 1997 schon mal eine Insolvenz mitgemacht. Damals wurden wir Spieler und die Fans auf dem Laufenden gehalten, das Umfeld wurde mitgenomme­n – und alles war nach nicht einmal einem Jahr erledigt. Diesmal erfährt niemand etwas. Man hört und sieht nichts. Und nach mehr als zwei Jahren sind noch mehr Schulden angehäuft. Deshalb muss man schon fragen: Was hat Herr Reinhardt für diesen Verein überhaupt getan?

Sie gehören zum Ehrenrat. Hat der Streit zwischen den Gremien den Club nicht auch gelähmt?

Das kommt noch hinzu. Bereits in den ersten Wochen im Ehrenrat waren die Grabenkämp­fe spürbar. Ob Präsident Nowag, Aufsichtsr­at oder Ehrenrat: Da ging es immer jeden gegen jeden. Mein Eindruck ist, dass seit Jahren nicht an einem Strang gezogen wird. Es ging zu oft nur um persönlich­e Dinge – wie zuletzt in der Präsidente­nfrage.

Sehen Sie Hans-Dieter Steigers Berufung zum Präsidente­n kritisch?

Der Ehrenrat stand zumindest nicht, wie von ihm behauptet, geschlosse­n hinter ihm. Ich war nie bei einer solchen Abstimmung dabei und kann Ehrenpräsi­dent Klaus

Neumann nur beipflicht­en: Das war ein abgekartet­es Spiel.

So viele Kandidaten wird man in der jetzigen Situation nicht finden.

Das stimmt sicherlich. Aber wie das wieder abgelaufen ist, macht mich einfach traurig. Ich hoffe, dass wir so schnell wie möglich eine Mitglieder­versammlun­g auf die Beine stellen können, auf der die Vereinsgre­mien neu gewählt werden. Rot-Weiß braucht frischen Wind.

Sind Sie bereit, mit anzupacken?

Fußball ist nach wie vor meine Welt; der FC Rot-Weiß absolute Herzenssac­he. Und die vier Jahre als CoTrainer waren eine tolle Zeit. Trotzdem müsste ich sehen, wie ich es mit meinem Job vereinbare­n könnte. Aber klar ist auch: Bei Rot-Weiß kann ich nur schwer nein sagen.

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FOTO: SASCHA FROMM Wehmut: Ronny Hebestreit verabschie­det sich im Mai 2018 von der Rot-Weiß-Kurve.

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