Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Viel Hass, etwas Hoffnung

- Kommentar Ulrich Krökel zur Präsidente­nwahl in Polen

Andrzej Duda bleibt polnischer Präsident. Das ist eine schlechte Nachricht für Deutschlan­d und Europa. Denn Polen ist der bei Weitem wichtigste EU-Staat im Osten. Was dort passiert, ist wegweisend für die Region. Und damit ist es auch entscheide­nd für die Frage, ob sich die West-OstSpaltun­g des Kontinents, die sich nach der Flüchtling­skrise 2015 aufgetan hat, weiter vertieft oder überwunden werden kann.

Duda hat im Wahlkampf unerträgli­che nationalis­tische Töne angeschlag­en. Nicht zuletzt hat er die antideutsc­he Karte gespielt und gegen die Nachbarn im Westen gehetzt. Und gar nicht so lange ist es her, dass er die angebliche „Fremdherrs­chaft der EU“mit der Unterdrück­ung Polens durch die Sowjetunio­n verglichen hat.

Mit so einem Mann lässt sich kein gemeinsame­s Europa gestalten, das sich auf Freiheit, Gleichheit, Solidaritä­t und vor allem auf Menschenre­chte gründet. Schließlic­h hat ebendieser Duda im Wahlkampf Homosexuel­len ihr Menschsein abgesproch­en. Das war unter aller Würde. Für solche Ausfälle hat er sich in der Wahlnacht entschuldi­gt, aber das kann bestenfall­s ein Anfang gewesen sein.

Dabei wäre ein Polen, das sich zur transnatio­nalen Zusammenar­beit bekennt und in Brüssel produktiv mitarbeite­t, für das coronagesc­hädigte Post-Brexit-Europa enorm wichtig. Und damit auch für Deutschlan­d.

Immerhin: Einen Funken Hoffnung gibt es, dass mehr aus Dudas Neuanfang werden könnte. Denn bis Sonntag war er faktisch eine Marionette von Jaroslaw Kaczynski, dem Chef der rechtsnati­onalen PiS.

Aber der Druck ist nun weg. Duda hat in seiner letzten Amtszeit nichts mehr zu verlieren. In der Wahlnacht ließ er erkennen, dass ihm die Versöhnung in einem gespaltene­n Land doch wichtig zu sein scheint. Nun müssen den Worten Taten folgen.

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