Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Italien sucht Merkels Hilfe
Premier Conte mahnt beim Wiederaufbaufonds zur Eile
Berlin. Es ist ein sonniger Nachmittag auf Schloss Meseberg nördlich von Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel, königsblauer Blazer, neigt sich freundlich nach rechts zum italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte. „Italien hat große Opfer gebracht“, sagt sie. „Die Corona-Pandemie ist ohne Verschulden von jemandem über uns gekommen“, jetzt schlage die Stunde der europäischen Solidarität. Sie spricht vom milliardenschweren Wiederaufbaufonds der EU-Kommission, über dessen „Grundstruktur“sie mit Conte einig sei. Die Hilfsmaßnahme sei aber auch für die eigene Exportwirtschaft gut: „Deutschland hat Interesse an einem funktionierenden Binnenmarkt.“
Der Gast aus Rom bedankt sich für die „herzliche Gastfreundschaft“, mahnt aber zur Eile. „Es ist eine koordinierte und starke
Antwort Europas nötig. Die Krise ist epochal.“
Italien ist das Sorgenkind der EU. Das Land wurde mit rund 35.000 Toten am härtesten durch die Pandemie getroffen. Zwischen Mailand und Palermo wird die Rezession in diesem Jahr wohl am tiefsten verlaufen. Die EUKommission prognostizierte kürzlich ein Minus von 11,2 Prozent.
Alle Augen richten sich nun auf den europäischen Wiederaufbaufonds. Der Vorschlag der EU-Kommission – 500 Milliarden Euro als Zuschüsse und 250 Milliarden Euro als zurückzuzahlende Kredite – wurde in Rom, Madrid, Lissabon oder Athen mit einem Stoßseufzer der Erleichterung aufgenommen. Erstmals will sich die EU-Kommission im großen Stil verschulden. Beim EU-Gipfel am Freitag und Samstag in Brüssel sollen die Details festgeklopft werden.
Vor allem die Kehrtwende Merkels erstaunte die Südländer. Die Transformation der schwäbischen Hausfrau mit strikten Sparvorgaben hin zur spendierfreudigen Predigerin der europäischen Solidarität wurde vielerorts als „historisch“gepriesen. Obwohl das Vorhaben von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien mitgetragen wird, gibt es Widerstand. Die „sparsamen Vier“– die Niederlande, Österreich, Dänemark und Schweden – verlangen, dass das Geld nicht in ein Fass ohne Boden geworfen wird. Sie plädierten dafür, die Mittel an Reformen zu knüpfen und nur als Kredite zu gewähren. „Noch sind die Positionen auseinander“, warnte Merkel in Meseberg.